Querallee / Friedrich-Ebert-Straße

Aus Geo West
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Kurzbeschreibung

An der Querallee griff die Aschrottsche Stadterweiterung auf die Gemarkung Wehlheidens über, das 1899 eingemeindet wurde. Die Eckhäuser an der Friedrich-Ebert-Straße zeugen von ganz unterschiedlichem Umgang mit der ursprünglichen Bebauung. Das 1905 errichtete Haus Nr. 93 mit seinen Jugendstilelementen zeugt von einem behutsamen Umgang mit dem ursprünglichen Bau. Nr. 98 (1891) erfuhr in der Nachkriegszeit „Modernisierungen“, die u. a. mit der Reduzierung der Raumhöhen im Inneren zu einem brachialen Zumauern der Fenster führten. Nr. 96 (1890) stand in den 1960er Jahren kurz vor dem Abriss, wurde dann aber „modernisiert“ und dabei mit einer „grotesken Verkleidung“ (Wiegand) versehen. 2015 wurde die Verkleidung abgenommen und die ursprüngliche Fassadengestaltung wiederhergestellt. Auch bekam das Haus seine Kuppel zurück. Nach langjähriger Diskussion erhielt der Kreuzungsbereich vor einigen Jahren eine Straßenbahnhaltestelle, die als erste überfahrbare Kaphaltestelle in Kassel eingerichtet wurde.

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Geschichte

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Die flächendeckenden Zerstörungen der Stadt durch Bombenangriffe reichten westlich etwa bis zur Murhardstraße. Dennoch gab es an zahlreichen Stellen des Vorderen Westen erhebliche Zerstörungen, die teilweise reparabel waren, teilweise aber auch die ursprünglichen Gebäude verschwinden ließen, die durch Neubauten ersetzt wurden. So wurde die Adventskirche auf den Ruinen so wieder aufgebaut, dass die Narben des Krieges durchaus sichtbar sind, die Kreuzkirche durch einen Neubau ersetzt.

Auch in dem Bereich zwischen Annastraße und Queralle gab es Bombentreffer, die bei einigen Häusern einen Wiederaufbau nicht mehr zuließen, sondern zu einem Neubau zwangen. Die Situation nach einem Bombenangriff zeigt das Foto aus dem Stadtarchiv.

Architektur und Städtebau

Die Hohenzollern- bzw. Friedrich-Ebert-Straße wurde mehrfach umgebaut. Hier - wie an vielen anderen Stellen im Vorderen Westen - verschwand dabei das für den Stadtteil typische Mosaikpflaster. In diesem Fall zugunsten eines Parkstreifens (vgl. Weblinks)

Wohnkultur

„Herrschaftliche“ Häuser mit entsprechend zugeschnittenen Wohnung­en, Reitwege, große Parks (der Aschrottsche Privatpark auf dem Gelände der heutigen Bahnverwaltung zwischen Kölnischer Straße und Parkstraße), der Florapark auf dem jetzigen Stadthallengelände, der heutige Aschrottpark und auch der als Schmuckplatz angelegte Bebelplatz sollten den Westen attraktiv machen, gehobene Schichten zur Ansiedlung bewegen. Die Mieten von bis zu 600 Mark im Jahr vor dem Ersten Weltkrieg verboten es unteren Schichten - Arbeiter verdienten zwischen 1000 und 1500 Mark im Jahr - weitgehend ein Leben im Stadtteil in solchen Wohnungen. Sie wohnten in wenigen für sie errichteten Häusern (wie in der Dörnbergstraße) oder in den Hinterhäusern.

In der Reginastraße/Ecke Querallee - unweit zur Kreuzung mit der Hohenzollernstraße - lebte und arbeitete der Fotograf Nehrdich (noch heute ist hier ein Fotograf ansässig). Wie das Bürgertum sich in seinen Wohnungen einrichtete, ist kaum fotografisch überliefert. Von der Wohnung des Fotografen Nehrdich gibt es allerdings einige Fotos aus vermutlich den 1930er Jahren, wobei offen bleiben muss, inwieweit seine Wohnungseinrichtung repräsentativ war.

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Besonderheiten

Die überfahrbaren Kaphaltestellen

Die jahrelangen Bemühungen aus dem Stadtteil, an der Kreuzung Friedrich-Ebert-Straße / Querallee eine zusätzliche Straßenbahnhaltestelle einzurichten, gelangten Ende 2005 endlich zu einem Erfolg. Gegen Bedenken, dass an dieser Stelle eine barrierefreie Straßenbahnhaltestelle überhaupt möglich sei, setzte sich letztlich die Konzeption einer überfahrbahren Kaphaltestelle durch, mit der die KVG in Kassel Neuland beschritt. Bei den beiden überfahrbaren Kaphaltestellen wurde die zwischen Gleis und Gehweg befindliche Fahrbahn angehoben, so dass ein niveaugleicher Übergang vom Gehweg zum Schienenfahrzeug entstand. Eine Ampel sichert den Fahrgastwechsel gegen dem übrigen Straßenverkehr. Was ursprünglich von manchen Seiten skeptisch betrachtet wurde, funktioniert seit seiner Einführung reibungslos. Inzwischen gibt es in der Aschrottstraße eine weitere solche Haltestelle.


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Bedeutung der Straßennamen

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Friedrich-Ebert-Straße

Die Friedrich-Ebert-Straße hieß ursprünglich Hohenzollernstraße nach dem Geschlecht der Hohenzollern, das dem ganzen Viertel seinen Namen gab. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie zunächst 1947 in Karl-Marx-Straße, aber bereits 1949 erneut umbenannt und trägt seitdem den heutigen Namen. Friedrich Ebert wurde am 4. Februar 1871 in Heidelberg geboren. Der Sohn des Schneiders Karl Ebert und seiner Frau Katharina (geb. Hinkel) begann 1885 im Alter von 15 Jahren eine dreijährige Sattlerlehre. Im Zuge seiner Gesellenwanderschaft stieß er 1889 in Mannheim auf die SPD und trat ihr bei. Sein politisches Engagement begann er im gleichen Jahr in der Gewerkschaft. In den folgenden Jahren brachte ihn seine politische Tätigkeit auf die "schwarze Liste" der Polizei, was ihn dazu veranlasste, seinen Wohnort ständig zu ändern. Dabei hielt er sich u. a. auch in Kassel auf. Im Jahre 1891 wählte er Bremen zu seinem festen Aufenthaltsort, an dem er ab 1983 als Lokalredakteur der "Bremer Bürgerzeitung" tätig war. Im Jahr darauf heiratete er die Arbeiterin Louise Rump. Die im gleichen Jahr gepachtete Gastwirtschaft diente in Bremen als Treff­punkt für politische und gewerkschaftliche Aktivitäten. Zur gleichen Zeit führte er seine politische Karriere als Fraktionsvorsitzender der SPD in der "Bremer Bürgerschaft" fort und siedelte 1905 als Sekretär des SPD Parteivorstands nach Berlin über. 1912 wurde Ebert in den Reichstag gewählt und schon am 20. September 1913 nach dem Tod August Bebels auf dem Parteitag in Jena zusammen mit Hugo Haase dessen Nachfolger als Vorsitzender der SPD. Nach dem Rücktritt von Hugo Haase aus dem Parteivorsitz 1915 wurde Ebert am 11. Januar 1916 neben Philip Scheidemann zum Vorsitzenden der SPD-Reichstagsfraktion gewählt. Aufgrund dieses Amtes, der Position im Partievorstand sowie im Parteiausschuss gewann Friedrich Ebert maßgeblichen Einfluss in der SPD. Zu Beginn des 1. Weltkrieges sprach sich Ebert für den "Burgfrieden" und nationalen Zusammenhalt, jedoch gegen Annexion und Siegfrieden aus. Am 9. November 1918 wurde ihm von Prinz Max von Baden das Amt des Reichskanzlers übertragen, nachdem Wilhelm II. abgedankt hatte ("worden war"). Einen Tag später wurde der Rat der Volksbeauftragten unter paritätischer Beteiligung von Politikern der SPD und der von ihr abgespaltenen USPD ins Leben gerufen, wobei Ebert und Haase die Rollen der Vorsitzenden übernahmen. Die USPD verließ aber bereits wenig später den Rat der Volksbeauftragten. Ebert setzte sich für einen strikt parlamentarischen, auf Mehrheit setzenden Weg zur Neugestaltung Deutschlands und damit für die möglichst baldige Wahl einer Nationalversammlung ein. Bei der Gründung der Weimarer Republik spielte er eine entscheidende Rolle, indem er wesentlich dazu beitrug, die Konstituierung einer Räte-Republik zu verhindern - auch mit Hilfe einer Zusammenarbeit mit der OHL unter General Groener. Am 11. Februar wurde Ebert von der Nationalversammlung zum vorläufigen Reichspräsidenten gewählt. Seine Politik gegen die Linksradikalen setzt er mit der Unterstützung von Gus­t­av Noske in dessen ge­waltsamen Vorgehen ge­gen revoltierende Arbeiter fort. Ende 1924 mach­te man ihm einen Prozess wegen Landesverrats aufgrund der Teilnahme am Berliner Januarstreik 1918. Nach einem verbreiteten Urteil trug Friedrich Ebert zur Stabilisierung der jungen Republik wesentlich bei. Anderen Auffassungen zu Folge war seine Politik zu sehr von einer Furcht vor dem Bolschewismus und, daraus erwachsend, aus dem Vergeben weiter rei­chen­ der Demokratisierungschancen ge­prägt. Ebert starb am 28. Februar 1925 in Berlin in Folge einer ver­schleppten Blinddarmentzündung. (aus: Wolfgang Matthäus, Vom Hohenzollernviertel zum Vorderen Westen. Straßennamen, Geschichte und "Geschichtspolitik", Kassel 2005)

Querallee

Die Querallee ist ursprünglich quer zu Wilhelmshöher Allee Hohenzollernstraße und Kölnischer Straße angelegt worden. Im oberen Teil, zum Kratzenberg hin, weist sie eine starke Steigung auf, die bei der Anlage anderer Straßen vermieden wurde und sie für eine Pferde- oder später Straßenbahn untauglich machte. Eine Jahreszahl an dem Eckhaus Friedrich-Ebert-Straße/Querallee verrät, dass die Bebauung der Stadt bis kurz vor dem Ende des 19. Jahrhunderts bis hierhin vorgedrungen war. Die Querallee markiert genau die Grenze zwischen den Gemarkungen Wehlheidens und Kassels, ein Unterschied, der mit der "Vereinigung" Kassels und Wehlheidens am 1. April 1899 nicht mehr von Bedeutung war. Mit Wehlheiden kam nicht nur das alte Dorf zu Kassel, sondern gerade auch das von Aschrott erschlossene Gebiet des Vorderen Westens mit den bürgerlichen Wohnquartieren und Villen war nun ein neuer Teil der Stadt. Die Abbildung zeigt einen Auszug aus dem Fluchtlinienplan der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Weblinks

Kassel Weste e. V. zum Mosaikpflaster

Dateien

Literatur

Thomas Wiegand, Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Hessen. Stadt Kassel II, hg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden 2005

Wolfgang Matthäus (Hg.), Plätze im Westen. Geschichte(n) eines Kasseler Stadtteils, Kassel 2010

Wolfgang Matthäus (Hg.), Vom Hohenzollernviertel zum Vorderen Westen. Straßennamen, Geschichte und „Geschichtspolitik“, Kassel 2005