Treppenanlage Bodelschwinghstraße / Tannenwäldchen

Aus Geo West
Version vom 15. August 2013, 20:11 Uhr von WMatthäus (Diskussion | Beiträge) (Bedeutung von Namen)

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I

Kurzbeschreibung

In Verlängerung der Bodelschwinghstraße verbindet die Treppenanlage die Breitscheid- mit der Kölnischen Straße. Sie führt auf den höher gelegenen Kratzenberg mit dem Tannenwäldchen durch eine mit ihr entstandene Anlage des sozialen Wohnungsbaus aus der Mitte der 1920er Jahre. Die Treppe und die beiderseits symmetrisch gestaffelt angeordneten Wohngebäude bilden eine für diese Bauzeit typische reizvolle städtebauliche Gesamtanlage. Von ihr aus geht der Blick auf eines der ältesten Gebäude im Vorderen Westen, das 1875 als Kaserne erbaut und jüngst in ein Wohngebäude umgewandelt wurde. Bis 1919 hatte es dem Infanterieregiment 83 gedient, an das ein 1930 in die Anlage integrierter Gedenkstein erinnert.

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Geschichte

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Die militärische Nutzung des Kasernengeländes unterhalb der Treppenanlage endete auf Grund der Bestimmungen des Versailler Vertrages im Jahr 1919.

Die noch im gleichen Jahrzehnt entstandene Wohnanlage war Ausdruck des öffentlichen sozialen Wohungsbaus der Republik, die die vom Kaiserreich hinterlassene große Wohnungsnot vor allem auch in Kassel lindern sollte.

Stolperstein

In der Nähe des Treppenaufgangs, vor der Breitscheidstraße 20, wurde 2013 ein Stolperstein zur Erinnerung an Johannes Walter und seine Ermordnung am Kriegsende in der Elwe verlegt (vgl. unter Links).

Architektur

Bedeutung von Namen

Bodelschwinghstraße

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Bis 1947 hieß die Bodelschwinghstraße Landgrafenstraße.

Friedrich von Bodelschwingh, der mit vollem Namen Friedrich Christian Carl von Bodelschwingh hieß und aus einem alten westfälischen Adelsgeschlecht stammte, wurde am 6.3.1831 im westfälischen Tecklenburg als Sohn des Rechtswissenschaftlers Ernst von Bodelschwingh, der es bis zum preußischer Finanz- und Innenminister brachte, geboren. Bodelschwingh wurde zu einem der engagiertesten deutschen Theologen und Sozialpolitiker, der sich im Zusammenhang mit Hilfsbedürftigen, insbesondere Epileptikern und Obdachlosen verdient machte. 1849 begann er mit 18 Jahren eine Ausbildung zum Landwirt, indem er ein Se­mester Botanik studierte und sich danach als landwirtschaftlicher Praktikant in der Gutsverwaltung weiterbilden ließ. Nach der Ausbildung arbeitete er bis 1854, wie es sich für einen Adeligen ohne eigenes Land gehörte, noch eine Zeit lang als Gutsverwalter im pommerschen Gramenz In dieser ihn für sein späteres Leben prägenden Zeit machte Bodelschwingh vor allem Bekanntschaft mit der Armut, den katastrophalen Lebensbedingungen und dem Elend der auch für ihn arbeitenden Landarbeiter, und beschloss sich dieser anzunehmen. Mit diesem durch die Erweckungsbewegungen (einer innerprotestantischen Erneuerungs- und Frömmigkeitsbewegung) noch gestärkten Entschluss, sich für Bedürftige einzusetzen, begann Bodelschwingh ein Theologiestudium, um Missionar werden zu können. Nach seinem erfolgreichen Abschlussexamen im Jahre 1858 war er bis 1864 in Paris als Hilfsprediger und auch als Pfarrer tätig, der sich der dort bestehenden deutschen Gemeinde und vor allem der verarmten deutschen Arbeiterfamilien annahm. 1861 heiratete Bodelschwingh seine Cousine Ida, mit der er acht Kinder hatte, von denen allerdings zum Leid ihrer Eltern vier 1869 an Diphtherie innerhalb kürzester Zeit starben. Nach sechs Jahren in Paris kehrte Bodelschwingh 1864 nach Deutschland zurück, um als Pfarrer in der westfälischen Gemeinde Dellwig bei Unna zu arbeiten. Während des Preußisch-Österreichischen Krieges (1866) und des Deutsch-Französischen Kriegs (1870-71) versah Bodelschwingh als Feldprediger Dienst bei den preußischen und deutschen Truppen. 1872 kam er als Pfarrer in das kleine Dorf Bethel (in der Nähe von Bielefeld), um die Leitung der dortigen Diakonissenanstalt zu übernehmen. Aus dieser sehr kleinen Anstalt machte von Bodelschwingh ab 1873 eine Pflegeanstalt mit Platz für 150 Epileptiker, aus welcher wiederum in wenigen Jahren kommunal und kirchlich selbständige Siedlungen hervorgingen, welche Kleinstadtgröße erreichtenn Ca. 4000 kranke und gesunde Menschen lebten, lernten und arbeiteten immerhin in diesen Anstalten, die einen vorbildlichen Ruf in aller Welt genossen und in gewisser Weise auch als Gegenentwurf zur Ver­städterung in der modernen Industriegesellschaft gedacht waren. Beflügelt von dem großartigen Erfolg mit "Der Stadt der Barmherzigkeit", wie Bethel auch genannt wurde, gründete von Bodelschwingh 1878 die Anstalt "Nazareth", in der man sich vor allem um psychisch Kranke sowie um Behinderte und um nicht Sesshafte kümmerte. Auf Grund des Erfolgs von "Nazareth" wurde 1885 - ebenfalls mit der Hilfe von Bodelschwinghs - mit dem "Arbeiterheim" ein weiterer Verein ins Leben gerufen, welcher es sich zur Aufgabe machte, den im Heim arbeitenden Helfern und auch den Angehörigen der Bewohner sowie Obdachlosen, Ent­wurzelten und Bettlern eine Unterkunft zu geben, um deren Leid und Elend zumindest etwas zu lindern. Bodelschwingh leitete nicht nur mehrere deutsche Hilfsvereine, er war auch noch passiv an der Missionierung in Ostafrika beteiligt durch seine Mitgliedschaft im Vorstand bei der "Evangelischen Missionsgesellschaft für Deutsch- Ostafrika", deren Sitz er nach Bethel holte und dort integrierte, wodurch auch in Afrika ein Krankenhaus für behinderte Menschen entstand. Zudem rief von Bodelschwingh noch mehrere Kolonistenhöfe ins Leben, die den Zweck verfolgten, Obdachlosen und Wanderarmen, den "Brüdern der Landstraße", wie er sie nannte, eine Unterkunft gegen Arbeit zu geben. Bodelschwingh ging auch in die Politik und wurde 1904 Abgeordneter für die "Neu- Konservativen" im Preußischen Landtag. Hier brachte er ein so genanntes "Wanderarbeiterstättengesetz" durch, welches bewirken sollte, wie bei den Kolonistenhöfen durch die Errichtung von Wanderstationen armen Obdachlosen eine Unterkunft und Verpflegung gegen Arbeit zu gewährleisten. Vor seinem Tod rief von Bodelschwingh noch die von ihm geplante "Theologische Schule Bethel" ins Leben, welche eine Alternative zur herrschenden liberalen Theologie darstellte. Am 2.4.1910 starb Friedrich von Bodelschwingh in Bethel. Sein Vermächtnis, der von ihm geschaffene Anstaltenkomplex, wurde zum Modell für viele ähnliche Einrichtungen.

aus: Matthäus, Hohenzollernviertel


Breitscheidstraße

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Die spätere Bezeichnung "Breitscheidstraße" für die ursprünglich nach der Frau Wilhelm II., Auguste Viktoria, benannten Straße ist ein Teil der Umbenennungen nach der Befreiung vom Nationalsozialismus, dem auch der Sozialdemokrat Breitscheid zum Opfer gefallen war. Rudolf Breitscheid war einer der einflussreichsten sozialdemokratischen Politiker vor 1933. Er wurde am 2. November 1874 als Sohn des Buchhändlers Wilhelm Breitscheid und dessen Frau Wilhelmine in Köln geboren. Nach dem Studium der Nationalökonomie in München und Marburg mit anschließender Promotion war er als Redakteur bei verschiedenen liberalen Zeitungen in Hamburg und Hannover tätig. Anschließend arbeitete er von 1905 bis 1908 als Geschäftsführer des Han­delsvertrages in Berlin. 1912 wurde er auf Grund der Enttäuschung über die geringe Re­sonanz der Demokratischen Vereinigung bei den Reichstagswahlen von 1912 SPD-Mit­glied. 1917 trat er der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) bei, für die er auch die Zeitschrift "Der Sozialist" herausgab. Von November 1918 bis Januar 1919 amtierte Breitscheid als preußischer Innenminister in der ersten Revolutionsregierung. 1920 bis 1933 war er Mitglied des Reichstags. Bei den Reichstagswahlen vom 6. Juni 1920 wurde er für die USPD in das Parlament gewählt. Nach der Auflösung der USPD, nach der die Mehrheit dieser Partei sich der SPD anschloss, war er Hauptsprecher der sozialdemokratischen Fraktion in außenpolitischen Fragen und wurde 1926 von Stresemann in die Kommission des Völkerbunds berufen. Am 31. Januar 1933, einen Tag nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, warnte Breitscheid seine Partei vor ungestümen und voreiligen Aktionen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde er ausgebürgert und emigrierte nach Frankreich, wo er sich erfolglos um eine Widerstandsfront mit den Kommunisten bemühte. In Paris beteiligte er sich mit anderen nach Frankreich emigrierten sozialdemokratischen Politikern an der deutschen Volksfront, floh nach Marseille und wurde im Dezember 1940 von der Vichy-Regierung, die mit den Nationalsozialisten kollaborierte, an Deutschland ausgeliefert. Nach zehn Monaten Haft in einem Berliner Gefängnis brachte man Breitscheid mit seiner Frau in das Konzentrationslager Sachsenhausen. Im September 1943 wurde er nach Buchenwald überführt, dort mit seiner Frau in einer streng bewachten Baracke außerhalb des eigentlichen Konzentrationslagers interniert. Am 24. August 1944 kam Rudolf Breitscheid nach offiziellen Angaben in Buchenwald bei einem Luftangriff ums Leben.

Weblinks

Informationen zu Johannes Walter und seiner Ermordnung - von Kassel West e.V.

Dateien

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Literatur

Wolfgang Matthäus (Hg.), Vom Hohenzollernviertel zum Vorderen Westen. Straßennamen, Geschichte und „Geschichtspolitik“, Kassel 2005

Thomas Wiegand, Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Hessen. Stadt Kassel II, hg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden 2005