Stadthalle / Stadthallenvorplatz / Huttenplatz

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Kurzbeschreibung

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Der neoklassizistische Bau der Stadthalle wurde 1914 nach den Wettbewerbsplänen der Kasseler Architekten Hummel und Rothe fertiggestellt. Das Baugrundstück (ehem. Florapark) am westlichen Rand der gründerzeitlichen Stadterweiterung hatte Sigmund Aschrott der Stadt mit der Auflage geschenkt, dort aus Anlass des 1000-jährigen Stadtjubiläums (1913) ein kulturelles Zentrum zu schaffen. Bestandteile der städtebaulichen Gesamtkonzeption waren auch der Vorplatz (heute: „Holger-Börner-Platz“) und der Huttenplatz, jeweils symmetrisch auf die Mittelachse der Stadthalle ausgerichtet.

Nach 1945 wurde die Stadthalle zunächst als Provisorium für das Staatstheater genutzt. Ab 1959 wieder allgemeiner kultureller Veranstaltungsort. Nach diversen Um- und Anbauten heute: „Kongresspalais Stadthalle Kassel“ mit Ausstellungen, Messen, Tagungen, Veranstaltungen.



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Geschichte

Mit dem Bau der Stadthalle gegen Ende der gründerzeitlichen Bebauung des Vorderen Westens wollte Sigmund Aschrott „seiner Hohenzollern-Stadt“ einen kulturellen Anziehungspunkt verschaffen.

Aus Anlass des bevorstehenden 1000jährigen Stadtjubiläums 1913 und seines 85.Geburtstages schenkte er der Stadt das Grundstück (ehem. „Florapark“) mit der Auflage, dort die Stadthalle bis zum Stadtjubiläum zu errichten.

Huttenplatz

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Als Ergänzung zu dem 1914 vollendeten Bau der Stadthalle und deren Vorplatz (heute Holger-Börner-Platz) wurde im gleichen Jahr nach Anregung durch den damaligen Stadtoberbaurat Dr. Höpfner ein weiterer Platz nach Vorlagen von Max Hummel und Ernst Rothe geplant. Seine Anlage wurde allerdings wegen des Ersten Weltkrieges verschoben und erst knapp 10 Jahre später als gedacht begonnen. Von 1923 bis 1926 dauerte der Bau der Wohnanlage mit Grünflächen in der Mitte, die als Verlängerung der Hauptachse der Stadthalle gedacht war und für deren neoklazistische Fassade den architektonischen Rahmen schaffen sollte. Des weiteren plante Max Hummel den Bau von zwei kleinen Tempeln am oberen Ende des Platzes mit dem Grundriss eines Amphiprostylus (wie zum Beispiel beim Athena Nike-Tempel auf der Akropolis in Athen), die vom Fuß des Platzes aus wie eine Ergänzung der Stadthalle aussehen sollten. Sie dienten zum anderen als „Tor“ zu dem über eine Treppe erreichbaren, bis zur Goethestraße abfallenden Platz. Nach der Realisierung der Baupläne wurden die Tempel als Läden genutzt (auf der Ebene der Friedrich-Ebert-Straße), während die Untergeschosse als Wohnungen dienten. So befand sich in der damaligen Hohenzollernstraße 175 im Jahr 1930 das „Haarpflegegeschäft für Damen und Herren“ von Oligmüller und im Haus 177 das Lebensmittelgeschäft von August Mattmüller, der auch dort wohnte. Die Optik der Tempelchen und deren Wirkung wurden in der Entstehungszeit kritisiert: Sie wären zum Beispiel dem Blick auf die Stadthalle nicht zuträglich, in den Proportionen verfehlt; lächerlich seien gardinengeschmückte Fenster. Die Kritik blieb ohne Folgen. Heute befinden sich in den Tempeln die „Werkstatt Kassel e. V.“ und die „Kunstwerkstatt“, kulturelle und soziale Einrichtungen mit einer erheblichen Bedeutung über den Stadtteil hinaus. Der Wohnungsbau am Huttenplatz reihte sich ein in den in der Zeit der Weimarer Republik auch im Vorderen Westen forcierten sozialen Wohnungsbau. Die Allgemeine Wohnungs- und Spargenossenschaft zählte 1927 die von ihr errichtete Wohnanlage um den Huttenplatz zwischen Diakonissen-, Goethe-, Friedrich-Ebert- und Geysostraße zum „wertvo­l­l­s­ten Besitz. (Die Häuser) sind nicht nur eine bauliche Sehenswürdigkeit der Stadt, sondern auch eine besonders praktische Wohnhausanlage insofern, als die darin erbauten Wohnungen nach neuzeitlichen Gesichtspunkten unter Brücksichtigung weitestgehender hygienischer Forderungen errichtet worden sind.“ (zit. nach Wiegand, S. 288) Heute sind die Wohnungen, von denen eine ganze Reihe im Zweiten Weltkrieg zerstört oder beschädigt wurden, im Besitz der Vereinigten Wohnstätten von 1889. 1928 wurde die bis dahin noch ungestaltete Zwischenfläche in U-Form von dem damaligen Stadtgartendirektor Rudolf Stier symmetrische gegliedert (mit Querwegen), bepflanzt und damit in eine Form gebracht, die heute nicht mehr so vorhanden ist. Die zuvo relativ schmale Treppenverbindung zum Holger-Börner-Platz erhielt 1972 die noch heute existierenden Maße, der Verlauf der Straße gleichfalls die heutige Form. Im Lauf der Jahrzehnte wechselte auch immer wieder die Bepflanzung. Neben einer schlichten Wiese entstanden zweitweise Blumenbeete, und einige Bäume beschatten inzwischen Teile des Platzes.

aus: Matthäus, Plätze

Architektur

Grundlage für den neoklassizistischen Bau der Stadthalle war der Wettbewerbsentwurf der Kasseler Architekten Max Hummel und Ernst Rothe. Das Gebäude konnte allerdings erst 1914 fertiggestellt werden.

Bestandteil der Entwurfskonzeption für die Stadthalle war sowohl der symmetrisch auf das Gebäude ausgerichtete Vorplatz (heute:“Holger-Börner-Platz“) mit 4 Baumreihen (s. Luftbild a.d. 1920er Jahren) als auch der südlich anschließende „Huttenplatz“. Dieser ebenfalls achsial-symmetrisch auf die Stadthalle bezogene Platz mit den kleinen Tempeln als Torsituation, der flankierenden Randbebauung (sozialer Wohnungsbau) und der Treppen- und Grünanlage bis hin zur Goethestraße konnte wegen des Ersten Weltkrieges allerdings erst in den 1920er Jahren realisiert werden (Abb. a.d. 20er Jahren).

Dazu schrieb der Kasseler Stadtbaurat Labes 1928: „Von der höchsten Bedeutung aber für das Kasseler Stadtbild wurde der Stadthallenbau dadurch, dass er zum Ausgangspunkt eines städtebaukünstlerischen Zusammenhanges gemacht wurde. Mit einfachen Mietshäusern ist hier allein durch die Gruppierung…ein harmonisches Ganzes geschaffen, das als das erste neue einheitliche Stadtbild nach dem vollständigen Nachlassen des Verständnisses für städtebauliche Gesamtwirkungen in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts anzusprechen ist. (s. Denkmaltopographie Stadt Kassel II, S.78)

Städtebau

Die Bebauung der Stadthallen mit Ihren Platzfolgen quert die 3 Längsachsen der Stadtteil senkrecht. Die Anlage besticht durch eine äußerst strenge Symmetrie. Zwischen Breitscheitstraße, Friedrich-Ebert-Straße und Goethestraße einstand hier auch in Bezug zur Gesamtstadt ein kultureller Schwerpunkt, der auch durch die Topografie bedingt spannende Räume erzeugt und an vielen Teilbereichen eine urbane städtische Nutzungsmischung bildet. Insbesondere die Wohnbebauung des Huttenplatzes ist städtebaulich und wohnungspolitisch begrüssenswert. Die terrassierte Platzanlage ist zu einem kulturellen Schwerpunkt geworden. Neben der Stadthalle - dem sogenannten Congress Palais - werden auch die künstlerischen und erfrischenden Aktivitäten in den Pavillons ( Kunsttempel ) im Stadtteil geschätzt. Die zur Friedrich-Ebert-Straße senkrecht verlaufende Achse der Anlage bringt eine überraschende Neuorientierung, die auch einen sehr schönen Ausblick über die Dachlandschaften Kassels ermöglicht. Die Erneuerung des Vorplatzes wir durch ein modernes Verständnis der Oberflächengrafik und der Oberflächenmaterialien gekennzeichnet. Auch wenn die "Quadratur" nicht immer mit den vielen technischen Einbauten in den Quadraten korrespondiert hat doch sich die Aufenthaltsqualität stark verbessert.

Sehenswürdigkeiten / Besonderheiten

Bedeutung der Namen

Holger Börner - Betonfacharbeiter, Gewerkschafter, Politiker

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Der Vorplatz der Stadthalle war etwa ein Jahrhundert lang unbenannt. Ansinnen aus dem Magistrat, ihm den Namen Hiroshima-Platz zu geben, scheiterten am Widerstand aus dem Stadtteil. Vielleicht als Ergebnis dieser Auseinandersetzung wurde er nach Holger Börner benannt. Vor seinen bundes- und landespolitischen Aktivitäten war der am 7.2.1931 in Kassel geborene Betonfacharbeiter als aktives Gewerkschaftsmitglied Beriebsratsvorsitzender und als SPD-Mitglied bis 1972 Stadtverordneter. Als damals jüngster Abgeordneter wurde er 1957 in den Deutschen Bundestag gewählt, dem er bis 1976 angehörte. Er bekleidete u. a. die Ämter des Bundesvorsitzenden der Jungsozialisten, eines parlamentarischen Staatssekretärs, des Bundesgeschäftsführers der SPD und des Landesvorsitzenden der SPD. 1976 übernahm Börner als Chef eines Kabinetts einer SPD/FDP-Koalition das Amt des hessischen Ministerpräsidenten, das er bis 1987 ausübte. Nach einer Phase der Tolerierung durch die Grünen stand er der ersten rot-grünen Koalition auf Landesebene vor und trat für eine soziale und ökologische Reformpolitik ein. Im Streit mit seinem Umweltminister Joschka Fischer über die Betriebsgenehmigung für die Hanauer Atomfabrik entschied er sich 1987 für die Entlassung Fischers und damit den Bruch der Koaltion. Bei den Neuwahlen verzichtete er auf eine weitere Kandidatur und legte seine Parteiämter nieder. Als Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung (bis 2003) blieb Börner wie vorher auch seiner Heimatstadt verbunden, die ihn zum Ehrenbürger ernannte und in der er am 2.8.2006 starb.

aus: Matthäus, Plätze

Ulrich Reichsritter von Hutten

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Zu Ehren des verstorbenen ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert hieß der Huttenplatz einige Jahre lang Friedrich-Ebert-Straße, eine Namensgebung, die der nationalsozialistischen Stadtverwaltung 1934 nicht mehr tragbar schien. Seitdem heißt er wieder Huttenplatz. Ulrich von Hutten, Humanist und Publizist, wurde am 21. April 1488 als Spross eines fränkischen Rittergeschlechts auf Burg Steckelberg bei Schlüchtern geboren und bis 1505 in der Klosterschule in Fulda erzogen. Nachdem er an mehreren deutschen und italienischen Universitäten studiert hatte, diente er für kurze Zeit aus Geldnot in der Armee Kaiser Maximilians I., der ihn am 12. Juli 1517 in Augsburg zum Dichter krönte. Ein Aufenthalt in Rom ließ ihn zum entschiedenen Kritiker des Papsttums werden, das er polemisch bekämpfte. Hutten fand am Hof des Erzbischofs Albert II. von Mainz eine feste Anstellung. 1517 schloss er Freundschaft mit Erasmus von Rotterdam. Er setzte sich für eine Reichsreform, ein starkes Kaisertum, ein und bekämpfte als führender Vertreter des Humanismus kompromisslos den römisch- katholischen Klerus in sprachgewaltigen satirischen Streitschriften, Reden, Appellen, Dialogen und Briefen. Hutten war seit 1519 ein begeisterter Anhänger Martin Luthers, dessen Lehre er in mehreren seiner Werke aufgriff und verteidigte. Nach vielen Enttäuschungen, besonders über Erasmus von Rotterdam wegen dessen Zurückhaltung gegenüber Luther, fand er arm und krank seine letzte Zuflucht auf der Insel Ufenau im Zürichsee - Hutten war nach dem gescheiterten Reichsritteraufstand zu Zwingli in die Schweiz geflohen - und starb dort am 29. August 1523.

aus: Matthäus, Hohenzollernviertel

Zukunft des Ortes

In der jüngsten Vergangenheit wurde ein neues Konzept von wohnungsnahen Freiflächen praktiziert. Im Bereich der Grünflächen des Huttenplatzes wurde von der Universität Kassel und von Anwohnern des Huttenplatzes neue Gartenstrukturen mit Elementen der Selbstversorgung gestaltet. Dieses Experiment fand großes Interesse auch wenn es einer puristischen Orientierung von Denkmalschutz widerspricht. Die Aneignung des Ortes durch die Bewohner in Form eines Gartenbauexperimentes (urban gardening) mit fachlicher Unterstützung ist positiv zu bewerten. Eine innovative Nutzung der Grünflächen mit dem politischen Hintergedanken der Selbstversorgung im Stadtgebiet entspräche auch der künstlerischen innovativen 'Grundstimmung' an diesem Ort.

Die 'Bespielbarkeit' des Platzes hat sich erwiesen. Kommerzielle und nicht-kommerziellle Ereignisse finden über das ganze Jahr in großen Anzahl statt. Werkstatt und Kunsttempel komplettieren den Kulturaspekt des Ortes. Man würde sich wünschen, das Kunst im öffentlichen Raum hier einen Stammplatz einnimmt. Und dass künstlerische Aktionen hier Ihren Raum finden. Und das das gesamte Ensemble mit Stadthallengarten, Hochpark, Eingangsflächen, Wartebereiche u. a. weiterhin öffentlich genutzt werden kann und wird.

Weblinks

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Dateien

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Literatur

Thomas Wiegand, Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Hessen. Stadt Kassel II, hg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden 2005

Wolfgang Matthäus (Hg.), Plätze im Westen. Geschichte(n) eines Kasseler Stadtteils, Kassel 2010

Wolfgang Matthäus (Hg.), Vom Hohenzollernviertel zum Vorderen Westen. Straßennamen, Geschichte und „Geschichtspolitik“, Kassel 2005