Samuel-Beckett-Anlage: Unterschied zwischen den Versionen

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Inzwischen ist auch der 140 Jahre alte Kasernenflügel zu einem Wohngebäude umgebaut und ein Lebensmittelmarkt mit darüber liegender gewerblicher Nutzung entstanden.   
 
Inzwischen ist auch der 140 Jahre alte Kasernenflügel zu einem Wohngebäude umgebaut und ein Lebensmittelmarkt mit darüber liegender gewerblicher Nutzung entstanden.   
 
In der Mitte des Geländes wird kein Militärsport mehr getrieben, sondern ein Park lädt zum Verweilen ein. So ist das fast 40.000 m2 große Gelände am Karl-Marx-Platz ein Musterbeispiel für  Veränderungen in unserer Stadt. Es hat militärischen, polizeilichen und schließlich Verwaltungszwecken gedient. Letztlich wurde es umgewandelt in eines der modernsten Wohngebiete der Stadt - die Samuel-Beckett-Anlage.
 
In der Mitte des Geländes wird kein Militärsport mehr getrieben, sondern ein Park lädt zum Verweilen ein. So ist das fast 40.000 m2 große Gelände am Karl-Marx-Platz ein Musterbeispiel für  Veränderungen in unserer Stadt. Es hat militärischen, polizeilichen und schließlich Verwaltungszwecken gedient. Letztlich wurde es umgewandelt in eines der modernsten Wohngebiete der Stadt - die Samuel-Beckett-Anlage.
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aus: Matthäus, Plätze
  
 
== Architektur ==
 
== Architektur ==

Version vom 25. Februar 2013, 20:27 Uhr

Basisdaten
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Kurzbeschreibung

1875 entstand hier vor den Toren der Stadt eine Infanteriekaserne, also noch vor der Erschließung des Vorderen Westens. Von den ehemals vier Flügeln steht noch das älteste Bauwerk an der Bodelschwinghstraße (inzwischen in eine Wohnanlage umgebaut). Der Namensgeber Samuel Beckett hat in dieser Straße in den Jahren 1928 bis 1932 mehrfach bei der Familie Sinclair gewohnt (siehe Bodenplatte im Gehweg). Nach dem 2.Weltkrieg diente das Gelände der Hessischen Bereitschaftspolizei und war für die Bürger nicht zugänglich. Um 1960 entstanden Neubauten für Büros und Sport, die in den letzten Jahren saniert wurden, ebenso Werkstätten und Garagen mit Tankstelle, die inzwischen abgerissen sind. Nach der Verlagerung der Bereitschaftspolizei vor ca. 20 Jahren konnte das Gelände zwischen Breitscheid- und Friedrich-Ebert-Straße, Bodelschwingh- und Gabelsbergstraße städtebaulich neu konzipiert werden. Seit 2006 entwickelt sich hier ein gemischt genutztes urbanes Stadtquartier mit einem neuen Verbrauchermarkt. HM/RB

Geschichte

Infanteriekaserne und Samuel-Beckett-Anlage - von der militärischen zur zivilen Nutzung

Dort, wo sich heute eine der neusten Wohnanlagen Kassels, die Samuel-Beckett-Anlage, erstreckt, herrschte nicht immer eine solche Ruhe und Beschaulichkeit wie in dem kleinen „Quartierspark“ vor. Ganz im Gegenteil: Dieses ca. 40.000 m2 große Gelände zwischen Bodelschwinghstraße im Westen und Gabelsbergerstraße im Osten, zwischen Kölnischer Straße im Norden und Friedrich-Ebert-Straße im Süden, blickt auf eine lange militärische und polizeiliche Geschichte zurück. Diese begann im Jahre 1866 nach der Annexion Kurhessens durch Preußen. Damals wurde das neue „Infanterieregiment 83“ als Kasseler Hausregiment formiert. Um diesem ausreichenden Platz zur Unterbringung zu bieten, beschloss man den Bau einer neuen Kaserne vor den Grenzen der Stadt. Zu dieser Zeit gehörte das komplett unbebaute Gelände zum Gebiet der Gemeinde Wehlheiden, der Vordere Westen existierte noch nicht. Als am 18.10.1875 die feierliche Einweihung der neuen „83er-Kaserne“ stattfand, bedeutete dies eine enorme Belebung der Umgebung. In den nächsten Jahren siedelten sich einige Gastwirtschaften an und später legte Sigmund Aschrott das Hohernzollernviertel und die Hohenzollernstraße, den Vorläufer der heutigen Friedrich-Ebert-Straße, an. Im gleichen Jahr wurde Wehlheiden mit Kassel vereinigt. Um das Kasernengelände herum entstand ein neuer Stadtteil. Jahrelang prägten die Soldaten des 83er-Regiments das Bild des Hohenzollernviertels. Das in der Infanteriekaserne erfundene Lied „König Wilhelm saß ganz heiter“ war auch unter den anderen Bewohnern der Stadt sehr populär. Doch was passierte mit den Soldaten und der Kaserne nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg und dem Versailler Vertrag? Das „Infanterieregiment Nr. 83“, das noch während des Krieges bei Lütt­ich und auch an der Ost- und Westfront gekämpft hatte, wurde 1919 aufgelöst. Zwei weitere Jahre lang diente die „Infanteriekaserne“ noch als Unterkunft für Soldaten der alten Armee, bevor ihre Geschichte als Militärkaserne endete. Ein endgültiges Ende des Baus oder gar seinen Abriss bedeutete dies allerdings keineswegs. 1921 wurde er vielmehr zur Polizeikaserne umfunktioniert. Die Ordnungspolizei und eine Garnison der Preußischen Landespolizei, die den Kasseler Nachwuchs ausbildete, zogen auf dem Gelände ein. Nachdem die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernommen hatt­en, nutzten auch sie bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs das Kasernengelände zur Unterbringung der Luftschutzpolizei und anderer Polizeitruppen. Es wurde zum Ort des Grauens für viele Kasseler Juden, die hier, nur zwei Jahrzente zuvor, zum Teil noch in den Kriegsdienst eingetreten waren: Als am 9. November 1938 während der Reichspogromnacht die gezielte Judenverfolgung ihren bis dahin Höhepunkt erreichte, dienten die Gebäude als „Übergangsgefängnis“ für jüdische Männer und Jugendliche, die ins Konzentrationslager gebracht werden sollten.

Nur einige Jahre später sollte die Kaserne in ihrer damaligen Form Geschichte sein. Während des Luftangriffs auf Kassel im Oktober 1943 wurde fast das gesamte Gelände zerstört. Lediglich der westliche Kasernenflügel an der Bodelschwinghstraße blieb komplett erhalten. In die anderen noch nutzbaren Überreste der Gebäude zogen nach dem Kriegsende 1945 Landespolizei, Gesundheitsamt und andere Landesbehörden ein, 1950 schließlich auch die Stadtpolizei Kassel. In den folgenden Jahren herrschte zunächst noch Unschlüssigkeit darüber, was mit dem „Trümmergrundstück“ (Kasseler Post v. Fr., 13. Januar 1956) am Karl-Marx-Platz weiter geschehen sollte. Eine attraktive Lösung bot sich an, als 1956 bekannt wurde, dass die hessische Bereitschaftspolizei ihren bisherigen Sitz in Hofgeismar, ein Gebäude des Bundes, räumen müsse. Auf der Suche nach einem neuen Standort für die Hundertschaften gelang es dem Kasseler Regierungs- und dem Polizeipräsidenten, die Landesregierung von einer Verlegung nach Kassel in eine eigens zu errichtende Kaserne auf dem ehemaligen Infanteriegelände zu überzeugen. Als Begründungen dienten die gute verkehrstechnische Lage und das „Anknüpfen an die preußische Tradition“. Daraufhin folgte der Abriss aller ehemaligen Gebäude außer dem erhaltenen Flügel an der Bodelschwinghstraße. 16 Familien mussten umgesiedelt werden, bevor die neuen Gebäude errichtet werden konnten. Insgesamt 6 Millionen DM wurden in die Umgestaltung des Geländes investiert, davon 4,5 Millionen allein in die Unterkünfte der Bereitschaftspolizei. Am 2. Mai 1960 konnten die ersten Polizisten nach einem Appell durch den hessischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn ihre Quartiere in den ersten Bauabschnitten beziehen. Im September 1961 wurde der letzte Block der alten Polizeikaserne abgebrochen. Aus dem ehemals auf militärische Zwecke ausgerichteten Gelände war eine offenere polizeiliche Anlage mit „zivilem Gesicht“ geworden, die sich in das Bild der Friedrich-Ebert-Straße einfügen sollte. Auch die vom Staatsbauamt entworfenen Neubauten sollten keinen kasernenartigen Eindruck machen, sondern gleichfalls ein „ziviles Gesicht“ haben und „formschöne Unterkünfte“ bieten. Wie das gesamte Bild der Stadt Kassel sollte sich allerdings auch das Gelände der Bereitschaftspolizei weiter verändern und somit die Entwick­lung des Vorderen Westens prägen. Am 04. Oktober 1994 wurde die Auflösung der in der Hohenzollernkaserne untergebrachten II. Abteilung der Bereitschaftspolizei durch das hessische Innenministerium beschlossen. Als 1995 die letzten Polizisten das Gelände verlassen hatten, stand es erneut leer. Ein erster Schritt zur Neuerschließung des Geländes war der Umbau des an der Friedrich-Ebert-Straße liegenden Komplexes für 18 Millionen DM durch das Land Hessen. Zwischen 1995 und 2001 erhielt er eine Fassade aus Glas und Stahl für mehr Transparenz und eine moderne Infrastruktur. Ende 2001 zogen 250 Mitarbeiter der zentralen Vergütungs- und Lohnstelle des Landes Hessen in den Komplex ein. Auch in das sanierte Gebäude an der Bodelschwinghstraße zogen mit dem Staatsbauamt und dem Rechnungsprüfungsamt Verwaltungsbeamte des Landes ein. Ungeklärt blieb allerdings lange Zeit, was mit dem restlichen Gelände und den leer stehenden Gebäuden geschehen sollte. Man war sich zwar durchaus darüber bewusst, dass das gesamte Kasernengelände fester Bestandteil der Gesamtanlage des Vorderen Westens sei. Von seiner neuen Nutzung hing die Attraktivität der Friedrich-Ebert-Straße genauso wie die des Karl-Marx-Platzes ab. Doch obwohl bereits bis 1997 Nutzungskriterien aufgestellt worden und eine Masterplanung zusammen mit den möglichen Investoren „Vereinigte Wohnstätten 1889“ und „GWH“ in Auftrag gegeben worden waren, konnten sich Stadt und Land lange nicht auf eine neue Planung einigen. Da das Gelände dem Land gehörte, hatte Wiesbaden die Vermarktungshoheit, worauf die Stadt durch die Regierung mehrfach hingewiesen wurde. Diese wiederum verwies auf ihre eigene Planungshoheit für das Gelände. Die Folge dieses Streites um Zuständigkeiten waren ein jahrelanger Stillstand. und ein großer Unmut der Bürger. Dieser wurde durch einen Ende September 2000 vom Ortsbeirat West organisierten Workshop durchbrochen. Das Ergebnis waren vier Entwürfe für eine neue Nutzung des Geländes, die eine Mischnutzung aus Wohn- und Arbeitsgebäuden und eine Öffnung zum Karl-Marx-Platz hin vorschlugen. Weitere Vorschläge waren die Ansiedlung eines Lebensmittelmarktes und des Stadtteilbüros zur neuen Belebung der Friedrich-Ebert-Straße. Alle Forderungen wurden in die Planungen der Stadt mit einbezogen.Es sollte all­erdings mehr als fünf weitere Jahre dauern, bis das ehemalige Kasernengelände erneut zur Baustelle wurde. So mussten das inzwischen in einer Halle der Bereitschaftspolizei angesiedelte Café Libre und der Skateboardverein „Mr. Wilson“ am 27. Februar 2006 endgültig Abschied vom Gelände nehmen. Sie waren beim Beginn der Abbrucharbeiten am 13. März 2006 dabei. Die Pläne für die neu zu errichtenden Gebäude wurden am 5. Mai 2006 der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie sahen ein „gemischt genutztes innerstädtisches Quartier“ vor, das sechs viergeschossige „Stadtvillen“ mit Eigentumswohnungen, behindertengerechten Wohnungen, vier- bis fünfgeschossige Bürogebäude, einen Lebensmittelmarkt, eine Sporthalle, ein Café, eine Treppenanlage zur Bushaltestelle in der Kölnischen Straße hin und einen großen Park enthalten sollte. Die Gabelsbergerstraße sollte wieder geöffnet werden. Nach dem irischen Nobelpreisträger Samuel Beckett, der öfter in der Bodelschwinghstraße bei seiner Geliebten zu Besuch war, erhielt die Anlage den Namen „Samuel-Beckett-Anlage“. Nachdem sich die Abrissarbeiten noch ein weiteres Mal durch den Konkurs des beauftragten Bauunternehmens verzögert hatten, konnte schließlich im Herbst 2007 mit dem Bau der Stadtvillen begonnen werden. Bei der Grundsteinlegung wurden als repräsentative zeitgenössische Gegenstände eine aktuelle Ausgabe der HNA, Euromünzen und Becketts Roman „Traum von mehr oder minder schönen Frauen“ in ein Kupferrohr eingemauert. Im November 2008 wurde das erste Gebäude fertig gestellt. Die Wohnungen mit Preisen zwischen 165.000 Euro und 395.000 Euro konnten relativ schnell vermarktet und bezogen werden. Insgesamt investierte die GWH in dieses Projekt 1,3 Millionen Euro, erhielt allerdings auch Zuschüsse von Stadt und Land. Inzwischen ist auch der 140 Jahre alte Kasernenflügel zu einem Wohngebäude umgebaut und ein Lebensmittelmarkt mit darüber liegender gewerblicher Nutzung entstanden. In der Mitte des Geländes wird kein Militärsport mehr getrieben, sondern ein Park lädt zum Verweilen ein. So ist das fast 40.000 m2 große Gelände am Karl-Marx-Platz ein Musterbeispiel für Veränderungen in unserer Stadt. Es hat militärischen, polizeilichen und schließlich Verwaltungszwecken gedient. Letztlich wurde es umgewandelt in eines der modernsten Wohngebiete der Stadt - die Samuel-Beckett-Anlage.

aus: Matthäus, Plätze

Architektur

Am nördlichen Rand der Anlage entstehen winkelförmige höhengestaffelte Geschossbauten (Wohnungen, Büros), die sowohl von den unterschiedlichen Höhenlagen der Breitscheidstraße als auch von dem niedrigen Niveau des Geländes erschlossen werden. Südlich davon enstanden fünf freistehende mehrgeschossige Wohnhäuser. In der Mitte der Anlage befindet sich ein kleiner Quartierspark und die sanierte Sporthalle. Eine Treppenanlage in der Nord-Ost-Ecke verbindet das Quartier mit der Breitscheidstraße. HM/RB

Sehenswürdigkeiten / Besonderheiten

Bedeutung des Namens

Der spätere Nobelpreisträger für Literatur Samuel Beckett besuchte Kassel mehrmals, um seine Cousine und Geliebte Peggy Sinclair, die mit ihrer Familie im Vorderen Westen, in der Landgrafenstraße 5, wohnte, zu besuchen. Zeugnis davon gibt sein erst 1992 veröffentlichtes, bereits 1932 geschriebenes Frühwerk, der Roman “Dream of Fair to Middling Women”. Die Liebe zwischen den beiden ging in der Silvesternacht 1929/30 in Kasselzu Ende. Beckett wurde am 13. April 1906 in Foxrock bei Dublin geboren. Er wuchs in großbürgerlichen Verhältnissen auf und be­suchte zunächst die streng protestantische Portora Royal School in Enniskillen (Nordirland). Dabei tat sich der mittelmäßige Schüler eher im Sport hervor. 1923 begann der 17jährige Beckett am Trinity College in Dublin sein Romanistikstudium, das er 1927 mit dem Bachelor of Arts beendete. 1931 promovierte er. Beckett wurde zu einem der bedeutendsten Autoren des 20. Jahrhunderts. Mit En attendant Godot (1953, Warten auf Godot) und Fin de Partie (1957, Endspiel) avancierte er zum wichtigsten - und prominentesten - Vertreter des absurden Theaters. Beckett war mehrfach in Paris, hatte dort, wie auch in Irland, Kontake zu der litararischen Avantgarde seiner Zeit, lebte seit 1937 fast ständig in der französichen Hauptstadt (als Mitglied der Resistance floh er 1942 bis zum Ende des 2. Weltkrieges nach Südfrankreich) und schrieb auf englisch und franzöisch. Seine Werke spiegeln die Überzeugung von der Absurdität menschlichen Daseins, sind sehr verschlüsselt und vieldeutig interpretierbar. Für sein umfangreiches Prosawerk, seine Dramen und Essays erhielt Beckett 1969 den Nobelpreis für Literatur. Er starb am 22.12.1989. In Kassel ist vor kurzem die in Deutschland erste Samuel Beckett Gesellschaft gegründet worden.

Weblinks

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Literatur