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Die Gestaltung des Platzes kann wohl als andauernder Anlass zu Streit gesehen werden, der bis heute nicht beendet ist. Der Platz und seine Umgebung harren noch einer endgültigen Formgebung. Diese Umgebung wird geprägt durch das ehemalige Kasernengelände (als dessen Vorplatz der Platz gedacht war), das mit der heutigen Samuel-Beckett-Anlage die Wandlung einer militärischen über eine Polizeikaserne zu einem Wohngebiet demonstriert, und die 1908 eingeweihte Friedenskirche als weithin sichtbarem Kennzeichen des Zentrums des Vorderen Westens. Für Tradition und Kontinuität über historische Umbrüche hinweg steht ein seit mehr als hundert Jahren hier ansässiger Bäckereibetrieb.
  
== Kurzbeschreibung ==
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„Der Stuhl des Chefredakteur Karl Marx“ auf dem Karl-Marx-Platz ist inzwischen zu einem festen Bestandteil des Stadtbildes geworden und gilt als wichtiges Beispiel von Kunst im öffentlichen Raum in Kassel. Hildegard Jaekel schuf diese Plastik, die inzwischen dem Verein Kassel West e. V. gehört.
Die Gestaltung des Platzes kann wohl als andauernder Anlass zu Streit gesehen werden, der bis heute nicht beendet ist. Der Platz und seine Umgebung harren noch einer endgültigen Formgebung. Diese Umgebung wird geprägt durch das ehemalige Kasernengelände (als dessen Vorplatz der Platz gedacht war), das mit der heutigen Samuel-Beckett-Anlage die Wandlung einer militärischen über eine Polizeikaserne zu einem Wohngebiet demonstriert, und die 1908 eingeweihte Friedenskirche als weithin sichtbarem Kennzeichen des Zentrums des Vorderen Westens. Für Tradition und Kontinuität steht ein seit mehr als hundert Jahren hier ansässiger Bäckereibetrieb.
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„Karl-Marx-Platz und kein Ende“ - mit dieser Schlagzeile brachte die „Hessische Allgemeine“ am 7. April 1992 die Schwierigkeiten und Ärgernisse um dem sternförmigen Platz vor der Friedenskirche auf den Punkt. Bereits 1965 hatte man über seine Umgestaltung Diskussionen geführt, diese sollten allerdings auch nach Erscheinen des Artikels noch lange nicht zu einem versöhnlichen Ende finden. Ganz im Gegenteil: Bis zum endgültigen Umbau im Jahre 1996 wurden die Konflikte immer erbitterter ausgetragen. Doch wieso erhitzte gerade diese Baumaßnahme so sehr die Gemüter? Welche Etappen gab es auf dem langen Weg hin zu dem heutigen Erscheinungsbild des Platzes zwischen Friedrich-Ebert-Straße, Bodelschwinghstraße, Elfbuchenstraße, Pestalozzistraße  und Olgastraße?
 
„Karl-Marx-Platz und kein Ende“ - mit dieser Schlagzeile brachte die „Hessische Allgemeine“ am 7. April 1992 die Schwierigkeiten und Ärgernisse um dem sternförmigen Platz vor der Friedenskirche auf den Punkt. Bereits 1965 hatte man über seine Umgestaltung Diskussionen geführt, diese sollten allerdings auch nach Erscheinen des Artikels noch lange nicht zu einem versöhnlichen Ende finden. Ganz im Gegenteil: Bis zum endgültigen Umbau im Jahre 1996 wurden die Konflikte immer erbitterter ausgetragen. Doch wieso erhitzte gerade diese Baumaßnahme so sehr die Gemüter? Welche Etappen gab es auf dem langen Weg hin zu dem heutigen Erscheinungsbild des Platzes zwischen Friedrich-Ebert-Straße, Bodelschwinghstraße, Elfbuchenstraße, Pestalozzistraße  und Olgastraße?
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Marie-Josephine Damaschke Becker / Annika Vöckel, in: Matthäus (Hg.), Plätze
 
Marie-Josephine Damaschke Becker / Annika Vöckel, in: Matthäus (Hg.), Plätze
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Die 1908 gegründete Bäckerei ist seit 1920 am Platz ansässig und steht damit für Tradition über mehrere Generationen hinweg.In ihrer und der Familie Geschichte spiegeln sich auch die großen Ereignisse und Veränderungen des 20. Jahrhunderts.
  
 
== Architektur ==
 
== Architektur ==
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Die das Stadtbild des Vorderen Westens prägende Kirche wurde 1905-1908 für die lutherischen Bürger der Stadt erbaut - mit Renaissance-, gotischen, vor allem aber barocken Elementen. Sie ist als Blickfang an einem Straßenstern inszeniert, wie der Architekturführer Kassel meint.
 
Die das Stadtbild des Vorderen Westens prägende Kirche wurde 1905-1908 für die lutherischen Bürger der Stadt erbaut - mit Renaissance-, gotischen, vor allem aber barocken Elementen. Sie ist als Blickfang an einem Straßenstern inszeniert, wie der Architekturführer Kassel meint.
 
Von Kriegseinwirkungen blieb die Friedenskirche zwar nicht verschont, das Gebäude steht aber heute noch weitgehend in der ursprünglichen Form. Im Innenraum fanden mehrere Modernisierungen statt. Besonders prägend war die farbliche Neugestaltung des Restaurators Rolf-Gerhard Ernst im Jahr 1998.
 
Von Kriegseinwirkungen blieb die Friedenskirche zwar nicht verschont, das Gebäude steht aber heute noch weitgehend in der ursprünglichen Form. Im Innenraum fanden mehrere Modernisierungen statt. Besonders prägend war die farbliche Neugestaltung des Restaurators Rolf-Gerhard Ernst im Jahr 1998.
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'''Der Stuhl des Chefredakteurs Karl Marx'''
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Er wirkt recht unscheinbar und ist doch nicht zu übersehen: „Der Stuhl des Chefredakteurs Karl Marx“ auf dem Karl-Marx-Platz ist inzwischen zu einem festen Bestandteil des Stadtbildes geworden und gilt als wichtiges  Beispiel von Kunst im öffentlichen Raum in Kassel. Hildegard Jaekel schuf die Plastik im Rahmen des 1889 vom Kulturamt der Stadt ausgelobten Projekts „Heimat“, das sich mit dem Vorderen Westen auseinandersetzte. Zu ihrer Inspiration zu dem Kunstwerk sagte die 1939 in Mannheim geborene, freischaffende Künstlerin: „Ich ging also durch den Vorderen Westen spazieren und fand einen kleinen, dreieckigen Platz, der mit Basaltschotter bedeckt war. Poller begrenzten ihn, und rundherum brandete der Verkehr. Eigentlich ein sehr langweiliger Platz, ein Nichts, sehr uninteressant. Aber dieses Plätzchen hatte einen bemerkenswerten Namen: Karl-Marx-Platz! Ich blieb stehen und lachte. Das war's!“
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So machte es sich die Künstlerin zur Aufgabe, Karl Marx auf „seinem Platz“ ein Denkmal zu setzen. Angeregt wurde sie durch ein Foto des Denkers, das ihn als Chefredakteur der „Neuen Rheinischen Zeitung“ 1848/49 in Köln aufrecht stehend  neben einem Stuhl zeigt. Diesen Redakteursstuhl bildete sie in Messing nach (15x15x56 cm) und montierte ihn auf einer überproportional großen Stele (40x60x55 cm; Höhe 300 cm) auf einem dreieckigen Podest (132x195x183 cm; Höhe 25 cm).
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Der leere Stuhl symbolisiert dabei den „Weggang“ des Redakteurs, der mit dem Niedergang der sogenannten kommunistischen Systeme immer mehr auch als Mensch und Denker aus dem Bewusstsein der Menschen verschwindet. Gleichzeitig kritisiert die Unverhältnismäßigkeit zwischen Stuhl und Unterbau auch gerade diese Verdrängung von Marx’ umfangreichem Gedankengut hinter dem, was historisch aus einigen zusammenhangslosen Schlagworten gemacht wurde.
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Zudem beschäftigte sich die Künstlerin allerdings auch mit der städtebaulichen Situation des Platzes: So nimmt die dreieckige Grundform des Podests die einer Verkehrsinsel sehr ähnliche Gestalt des Platzes auf. Das für Podest und Stele verwendete Material, Waschbeton aus Basaltsplitt, ist das gleiche, das auch für den Bau von Pollern verwendet wird, die sich auf vielen modernen Plätzen finden.
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So schuf Hildegard Jaekel also nicht nur ein Denkmal für Karl Marx, sondern kritisierte mit seiner Ausgestaltung auch zum einen die mangelnde Würdigung des großen Denkers, zum anderen die unschöne Struktur des Karl-Marx-Platzes in Kassel. 
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Dabei blieb das am 1. September 1989 aufgestellte Kunstwerk lange Zeit im Privatbesitz der Künstlerin. Die Stadt Kassel beabsichtigte zunächst, die Skulptur nur für kurze Zeit auf dem Platz zu erhalten. Nach Protesten der Anwohner durfte der Stuhl allerdings noch länger an seinem Ort bleiben. Um den endgültigen Verbleib zu sichern, erwarb der „Verein Kassel-West e.V.“ das Denkmal im Dezember 2006 mit Hilfe von Spendengeldern der Anwohner für ca. 5000 Euro. Bewohner aus dem Stadtteil pflegen und reinigen die Plastik in regelmäßigen Abständen. So bleibt Karl Marx sein Sitzplatz vor der Friedenskirche auch weiterhin erhalten.
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aus Matthäus (Hrsg.), Plätze
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'''Gedenktafel für Friedrich-Wilhelm Murnau'''
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Am Haus Elfbuchenstraße 4 befindet sich eine Gedenktafel für den großen Filmregisseur Friedrich Wilhelm Murnau, der hier von 1898 bis 1902 lebte (vgl. Weblinks).
  
 
== Bedeutung des Namens ==
 
== Bedeutung des Namens ==
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== Weblinks ==
 
== Weblinks ==
  
* Link 1
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[http://www.vorderer-westen.net/129/ Informationen zu dem prominenten Anwohner des Karl-Marx-Platzes, Friedrich Wilhelm Murnau, finden Sie auf der Seite von Kassel West e.V.]
* Link 2
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[http://www.vorderer-westen.net/131/ Informationen zu Samuel Beckett, der mehrfach in der Nähe des Platzes für längere Zeit zu Besuch war, finden Sie auf der Seite von Kassel West e.V.]
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[http://www.vorderer-westen.net/143/ Der Stuhl des Redakteur auf der Seite von Kassel West e. V.]
  
 
== Dateien ==
 
== Dateien ==
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== Literatur ==
 
== Literatur ==
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Wolfgang Matthäus (Hg.), Plätze im Vorderen Westen. Geschichte(n) eines Kasseler Stadtteils, Kassel 2010 (Schriften der WERKSTATT GESCHICHTE an der Albert-Schweitzer-Schule, Heft 8)

Aktuelle Version vom 3. März 2015, 13:43 Uhr

Kurzbeschreibung

B2 1 Img 9585.jpg
B2 Karl-Marx-Platz 1908 1908.jpg

Die Gestaltung des Platzes kann wohl als andauernder Anlass zu Streit gesehen werden, der bis heute nicht beendet ist. Der Platz und seine Umgebung harren noch einer endgültigen Formgebung. Diese Umgebung wird geprägt durch das ehemalige Kasernengelände (als dessen Vorplatz der Platz gedacht war), das mit der heutigen Samuel-Beckett-Anlage die Wandlung einer militärischen über eine Polizeikaserne zu einem Wohngebiet demonstriert, und die 1908 eingeweihte Friedenskirche als weithin sichtbarem Kennzeichen des Zentrums des Vorderen Westens. Für Tradition und Kontinuität über historische Umbrüche hinweg steht ein seit mehr als hundert Jahren hier ansässiger Bäckereibetrieb.

„Der Stuhl des Chefredakteur Karl Marx“ auf dem Karl-Marx-Platz ist inzwischen zu einem festen Bestandteil des Stadtbildes geworden und gilt als wichtiges Beispiel von Kunst im öffentlichen Raum in Kassel. Hildegard Jaekel schuf diese Plastik, die inzwischen dem Verein Kassel West e. V. gehört.

B2 2 Img 9526.jpg
B2 5 Img 9586.jpg
4 Img 9580.jpg
B2 6 Img 9590.jpg
B2 7 Img 9582.jpg
8 Img 9579.jpg

Geschichte

Verkehrs- und städtebauliche Konflikte

B2 Plan Karl Marx Platz 1909.jpg
B2 Fußgänger sw Schm.jpg
B2 KMP05.JPG
B2 Entwurfsfavorit 1978.jpg
B2 Vorschlag 1978 1.jpg
B2 Kompromisslösung.jpg
B2 Zebramalen-2.jpg


„Karl-Marx-Platz und kein Ende“ - mit dieser Schlagzeile brachte die „Hessische Allgemeine“ am 7. April 1992 die Schwierigkeiten und Ärgernisse um dem sternförmigen Platz vor der Friedenskirche auf den Punkt. Bereits 1965 hatte man über seine Umgestaltung Diskussionen geführt, diese sollten allerdings auch nach Erscheinen des Artikels noch lange nicht zu einem versöhnlichen Ende finden. Ganz im Gegenteil: Bis zum endgültigen Umbau im Jahre 1996 wurden die Konflikte immer erbitterter ausgetragen. Doch wieso erhitzte gerade diese Baumaßnahme so sehr die Gemüter? Welche Etappen gab es auf dem langen Weg hin zu dem heutigen Erscheinungsbild des Platzes zwischen Friedrich-Ebert-Straße, Bodelschwinghstraße, Elfbuchenstraße, Pestalozzistraße und Olgastraße? Der heutige Karl-Marx-Platz ist einer der ältesten Plätze des Vorderen Westens und entstand zunächst als Vorplatz für die 1875 eingeweihte „83er Kaserne“. Bereits in den ersten Planungen wechselte er fortwährend die Form. Damals noch Hohenzollernplatz genannt, plante man ihn 1873 als Rundplatz, bevorzugte vier Jahre später im Bebauungsplan jedoch die rechteckige Form. Mit der Anlage der Elfbuchenstraße und dem Bau der Friedenskirche (eingeweiht 1908) entstand letztlich ein asymmetrisches Polygon, das bis heute in den Grundzügen beibehalten wurde. Auch die Gegend um den damaligen Hohenzollernplatz blieb im Zweiten Weltkrieg nicht von den ganz Kassel betreffenden Zerstörungen verschont. So muss­te er nach Kriegsende gestaltet und aufgebaut werden. Während die Hohenzollernstraße in Karl-Marx-Straße umbenannt wurde, erhielt der Platz vor der Friedenskirche zunächst keinen Namen. 1949 schließlich, als die Karl-Marx-Straße in Friedrich-Ebert-Straße umbenannt wurde, entschloss man sich, Karl Marx zumindest als Namensgeber eines Platzes noch in Erinnerung zu halten. So kam der Platz zu seinem noch heute gültigen Namen. Über diesen sollte es allerdings, genau wie über den Umbau des Platzes, noch einige Kontroversen geben: Diese begannen im Jahr 1965, als der Magistrat der Stadt Kassel erstmals erklärte, dass über den Umbau des Platzes nachgedacht werde. 1968 schließlich starteten die konkreten Planungen, die in der Bevölkerung weitgehend unterstützt wurden. Trotz dieser Befürwortung kam es jedoch in den nächsten Jahren zu keiner Verwirklichung der Pläne. So waren viele Anwohner erleichtert, als Stadtbaurat Carsten Coordes im Februar 1978 zu einer Versammlung einlud, in der über neuere Umbaupläne beraten werden sollte. In seinem Einladungsschreiben stellte das Dezernat für Bauwesen und Stadtentwicklung einen Verlust des Platzcharakters fest: „Mit diesem Platz hat die Stadtbaukunst der Jahrhundertwende einen Akzent gesetzt: Die städtebaulich hervorragende Stellung der doppeltürmigen Friedenskirche als Endpunkt der Achse der Friedrich-Ebert-Straße in der Gabelung Elbuchenstr. / Friedrich-Ebert-Straße. In unserer Zeit ist dieser Platz (...) ein reiner Verkehrsplatz geworden. (...) Fließendes und ruhendes Blech hat den Platz überflutet.“ Tatsächlich befand sich zu dieser Zeit ein Parkplatz mitten auf dem Platz, die Verkehrsführung war unübersichtlich und die Fußwege und der Einstieg in die Straßenbahnen über die Fahrbahnen hinweg wurden immer wieder als äußerst gefährlich kritisiert. Deshalb sprach sich die einberufene Anwohnerversammlung nun für einen Umbauplan aus. Der vom Verwaltungsausschuss West favorisierte Entwurf enthielt einen größeren Bereich Grünfläche vor der Friedenskirche zur „umweltfreundlichen Gestaltung“ sowie einen breiten Fußgängerbereich auf der Südseite. Olga- und Pestalozzistraße wurden von dem Platz abgeschnitten. Diese Planung sollte dem „städtebaulichen Anspruch“ des Platzes und den Wünschen der Fußgänger gerecht und innerhalb von fünf bis sechs Monaten realisiert werden. Doch trotz dieser Zusage an die Anwohner passierte in den nächsten Jahren nichts. Der Ärger und das Unverständnis für diese Politik gegenüber den Fußgängern wuchsen immer mehr. 1982 schließlich machten Anwohner und Aktive der DKP ihrem Ärger Luft und brachten eigenhändig einen Zebrastreifen auf der Fahrbahn an. Damit verliehen sie ihrer Forderung nach einem Fußgängerüberweg und der Entschleunigung des Verkehrs von der Friedrich-Ebert- in die Elfbuchenstraße Nachdruck. Der Karl-Marx-Platz solle nicht länger eine Kreuzung sein, sondern endlich ein Platz werden. Auch trotz dieser Aktion wurden jedoch keine neuen Umbaupläne entwickelt. Dafür kam ein neuer Streitpunkt um den Karl-Marx-Platz hinzu: Ebenfalls 1982 forderte die Junge Union eine Umbenennung des Platzes in Lech-Walesa-Platz. Dieser stehe im Gegensatz zu Karl Marx für die Freiheit Polens und müsse deshalb auch in Kassel gewürdigt werden. Wegen des beherrschenden Unmuts über die erneute Verzögerung des Umbaus fand dieser Vorschlag jedoch kaum Beachtung. Dass sich der Umbau nicht nur verzögern, sondern nun gänzlich in die Zukunft verschieben sollte, gab die Stadt Kassel 1986 bekannt. Sie erteilte allen Planungen eine Absage mit der Begründung, der Karl-Marx-Platz werde nur gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Straße umgebaut. Erneut hieß es für die Anwohner und Fußgänger: warten. Doch schon 1987 sicherte die Stadt überraschenderweise nach weiteren Protesten den Umbau für das Jahr 1988 zu. In die hierfür vorliegenden Pläne sollte dem Ortsbeirat allerdings keine Einsicht gewährt werden. Als dieser gegen diese Einschränkung protestierte, kamen die Planungen wiederum ins Stocken. Und so musste die „Für Uns“ 1989 erneut Kritik üben: „Keine Spur von Platzcharakter“ hieß es damals. Der Platz vor der Friedenskirche sei noch immer „ein verwirrendes Sammelsurium aus KVG-Trasse und abknickenden Straßenzügen“. Im gleichen Jahr jedoch wurden dem Ortsbeirat drei verschiedene Konzepte zum Umbau vorgelegt. Auf dessen Forderung hin erklärte sich die Stadt bereit, die Entwürfe einer Bürgerversammlung vorzulegen, und so erfuhren auch die Anwohner im Mai 1989 die verschiedenen Planungsvarianten. Planer der Universität Kassel schlugen die Bildung eines zentralen Platzes vor, um den der Verkehr herumgeführt werden sollte. Fußgängerüberwege sollten die Sicherheit der Fußgänger ermöglichen und eine lebensgroße Figurengruppe bestehend aus Karl Marx, Friedrich Ebert, Friedrich Bodelschwingh und Johann Heinrich Pestalozzi sollte Bezüge zum Quartier herstellen. Der zweite Entwurf von den „Büros zur Landschafts- und Freiraumplanung Dipl.-Ing. Hella Wimmel und Partner“ sah im Gegensatz zu den Planern der Universität mehrere kleine Eckplätze und lediglich eine Straßenbahnhaltestelle in der Platzmitte vor. Der Autoverkehr sollte zur Durchfahrt die Straßenbahntrasse mitbenutzen. Im dritten Entwurf schließlich stellte das „Büro für Stadt- und Landschaftsplanung Böse-Vetter“ seinen Plan für Straßenrandplätze unter Beibehaltung der diagonalen Kreuzungspunkte vor. Während die Stadt den Plan der Universität favorisierte, sprach sich auf der Anwohnerversammlung eine Mehrheit für den zweiten Entwurf aus. Dieser berücksichtigte am meisten den allgemeinen Wunsch nach einer verbesserten Situation für die Fußgänger, einer Entschleunigung des Verkehrs und Verweilflächen. Für den entsprechenden Umbau wurden im Haushalt 1990 2,4 Mio. Mark vorgesehen. „Karl-Marx-Platz: Endlich geht's voran“ (HNA, 18.5.1989) hieß es deshalb und die Anwohner hofften auf eine schnelle Lösung. Wenige Monate später dann die erneute Enttäuschung: Es würde wieder kein Geld zur Verfügung stehen. Auch für die nächsten Jahre sollte zunächst keine größere Summe im Haushalt festgeschrieben werden. So wurden zum wiederholten, aber nicht letzten Mal die Hoffnungen der Anwohner in die Kasseler Baupolitik enttäuscht. Zunächst jedoch gab es 1990 einen erneuten Vorstoß der CDU, den Platz umzubenennen, diesmal in Sacharow-Platz. Nach dem Ende der DDR solle man endlich alles an den Kommunismus Erinnernde beseitigen. „Müssen wir damit rechnen, dass Kassel auch nach dem marxistisch-sozialistischen Kehraus in der DDR seinem ‚heiligen’ Karl Marx die Treue hält?“, stellte ein HNA-Leser eine entsprechende Frage. Trotzdem kam es aufgrund der Ablehnung des Antrags durch die SPD zu keiner Umbenennung. Auch ein Umbau kam nicht wieder zur Sprache. 1991 dann schließlich die Überraschung: Die KVG erklärte sich bereit, im Rahmen ihres Haltestellenbauprogramms, das vom Land gefördert wurde, den Platz umzubauen. Doch schnell stellte man trotz dieses Engagements fest: „Vor 1994 rührt sich nichts“ (HNA, 19.9.1992). Als auch 1995 noch kein Umbau in Sicht war, richtete der Ortsbeirat im Namen der Anwohner einen dringenden Appell an die Verantwortlichen der Stadt Kassel, sich endlich wirklich um eine Verbesserung der Lage zu bemühen. Damit begann die wohl größte, aber auch entscheidende Diskussion um den Karl-Marx-Platz: So diskutierte der Ortsbeirat 1996 eine Umbauvariante, die eine Verkehrsberuhigung vorsah und vom Stadtteilparlament abgesegnet wurde. Die Autos sollten von nun an, um von der Friedrich-Ebert- in die Elfbuchenstraße zu gelangen, einen Schlenker um die Haltestelle herumfahren, um schwerwiegende Unfälle durch „Rasen“ zu vermeiden; die Elfbuchenstraße sollte also an der Friedenskirche enden. Dieser Vorschlag sei „idiotisch“, stellte jedoch der Verkehrsdezernent und Bürgermeister Jürgen Gehb gemeinsam mit Vertretern der FDP fest und verweigerte die Zustimmung. Es dürften nicht nur die Interessen der Fußgänger und KVG-Benutzer berücksichtigt werden, auch die Autofahrer hätten berechtigte Wünsche. Nur kurze Zeit später kostete dieses Interesse an einer schnellen Durchfahrt in die Elfbuchenstraße eine ältere Frau das Leben. Sie wurde beim Überqueren der Straße von einem Auto erfasst und erlag im Krankenhaus ihren Verletzungen. Herr Gehb mache „ideologische Verkehrspolitik auf dem Rücken der betroffenen Menschen“, schrieb ein verärgerter HNA-Leser daraufhin und ein anderer erklärte, bei dem Karl-Marx-Platz handele es sich um „ein Autobahndreieck mit Rand-Wohnbebauung“. Zwischen Ortsbeirat und CDU-geführter Regierung kam es zu einem „Kampf der Fraktionen untereinander“ (HNA, 13.03.1996). Dieser gipfelte darin, dass der Magistrat am 18. März 1996 auf Verlangen und mit der Mehrheit von SPD und Grünen den Umbau nach Vorlage des Ortsbeirats beschloss. Wütende CDU- und FDP-Mitglieder sprachen daraufhin von den „Autofeinden“, die die aus dem Schlenker resultierende Staubildung und Abgasbelastung der Anwohner wissentlich in Kauf nähmen. Damit wollte man sich im Rathaus nicht zufrieden geben. „Die KVG bekam es gestern vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung schwarz auf weiß: Die Mittel für den Umbau der KVG-Haltestellen Teichstraße und Karl-Marx-Platz sind bewilligt.“ So schrieb die HNA am 29. März 1996 und ahnte nicht, dass der Oberbürgermeister Georg Lewandowski, CDU, im April ein aufschiebendes Veto gegen den Magistratsbeschluss einlegen würde. Angeblich habe dieser einen früheren Beschluss der Stadtverordnetenversammlung gebrochen, was nun überprüft werden müsse. Die Arbeit des Magistrats wurde verschoben - und somit auch der Umbau. Hätte man sich nach Ostern nicht doch auf einen Kompromiss geeinigt, wäre es wohl nie zu einer Veränderung am Karl-Marx-Platz gekommen: Der Ortsbeirat gab nach und man einigte sich darauf, die Haltestelle ohne die Umleitung in die Elfbuchenstraße umzubauen. Diese wurde dafür stadtauswärts zur Einbahnstraße, deren Überquerung durch einen Zebrastreifen sicherer gemacht werden sollte. So begann nun doch endlich der Umbau des Karl-Marx-Platzes - über 30 Jahre nach dem ersten Versprechen dafür. Die Haltestelle wurde dabei in die Platzmitte verlegt. Die geänderte Verkehrsführung in die Elfbuchenstraße wurde noch während des Baus durch die Mehrheit der CDU und FDP im Stadtparlament abgelehnt. Doch das trübte die Stimmung bei der offiziellen Einweihungsfeier der von „Bodelschwinghstraße“ in „Friedenskirche“ umbenannten Haltestelle am 22. Oktober kaum. Die Ende des Jahres 1996 von der CDU erneut begonnene Diskussion über die Umbenennung des Platzes in „Theodor-Heuss-Platz“ verhallte wirkungslos. 1998 zeigten sich erstmals Passanten einigermaßen zufrieden mit der gegebenen Situation. In einer Umfrage der Verkehrsplanung waren viele der Meinung, dass sich die Situation gebessert habe. Jedoch wurde immer noch ein Mangel an Grünfläche kritisiert. Außerdem stand die Frage im Raum, ob es sich bei dem Platz überhaupt um einen Ort mit wirklichem Platzcharakter handele. Für einige Jahre kehrte jedoch Ruhe ein in die Diskussion, die HNA berichtete über andere Probleme im Kasseler Stadtgebiet. Dies änderte sich im Herbst 2007. Die Zebrastreifen, Symbol für die lang erkämpfte Fußgängersicherheit, wurden wieder beseitigt, denn das Straßenverkehrsamt stellte fest, dass Straßenbahnen den Fußgängern keinen Vorrang gewähren müssten, was zu Unsicherheit führen könne, und zudem Fußgängerüberwege über eine abknickende Vorfahrtstraße laut den gesetzlichen Vorschriften nicht erlaubt seien. So brach trotz der Einrichtung der Tempo-30-Zone rund um den Platz ein neuer Streitpunkt auf. Verärgerung und Verunsicherung der Fußgänger wie auch der Autofahrer dauern bis heute an. Insgesamt gesehen besteht die Geschichte des Karl-Marx-Platzes also aus einem nie enden wollenden Streit über seine Form und Gestaltung. Vom ersten Versprechen zum Umbau im Jahre 1965 bis zur tatsächlichen Umgestaltung im Jahre 1996 war es ein langer und steiniger Weg. Immer wieder verhinderten Geldknappheit oder Streitigkeiten verschiedener Verkehrspolitiker die schnelle Realisierung der Konzepte, während die CDU beständig eine Umbenennung des Platzes forderte. Besonders kurz vor dem endgültigen Umbau brachen die Konflikte zwischen den verschiedenen verkehrspolitischen Ideologien besonders heftig auf: Verfechter der Fußgängersicherheit und Befürworter der Freiheit der Autofahrer standen sich gnadenlos gegenüber. Letzendlich wurde ein Kompromiss gefunden, der aber bis heute für die meisten Beteiligten nicht zufriedenstellend ist. Und so wird die Diskussion um den Platzcharaker und die Verkehrsführung des Karl-Marx-Platzes wohl immer wieder ein Thema in Kassel sein - mit ungewissem Ausgang.

Marie-Josephine Damaschke Becker / Annika Vöckel, in: Matthäus (Hg.), Plätze


Bäcker Becker

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Die 1908 gegründete Bäckerei ist seit 1920 am Platz ansässig und steht damit für Tradition über mehrere Generationen hinweg.In ihrer und der Familie Geschichte spiegeln sich auch die großen Ereignisse und Veränderungen des 20. Jahrhunderts.

Architektur

Sehenswürdigkeiten / Besonderheiten

Friedenskirche

Die Namensgebung erfolgte - natürlich - nicht auf der Grundlage eines weltlichen Begriffes von Frieden (über den es auch keine Übereinkunft gibt), sondern bezieht sich auf das Evangelium des Johannes 14, wo der Evangelist überliefert, was Jesus beim Abendmahl zu seinen Jüngern gesagt haben soll. Vers 27 ist überschrieben mit: “Der Friede Christi” und lautet: “Den Frieden lasse ich euch, den Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.” Die das Stadtbild des Vorderen Westens prägende Kirche wurde 1905-1908 für die lutherischen Bürger der Stadt erbaut - mit Renaissance-, gotischen, vor allem aber barocken Elementen. Sie ist als Blickfang an einem Straßenstern inszeniert, wie der Architekturführer Kassel meint. Von Kriegseinwirkungen blieb die Friedenskirche zwar nicht verschont, das Gebäude steht aber heute noch weitgehend in der ursprünglichen Form. Im Innenraum fanden mehrere Modernisierungen statt. Besonders prägend war die farbliche Neugestaltung des Restaurators Rolf-Gerhard Ernst im Jahr 1998.


Der Stuhl des Chefredakteurs Karl Marx

Er wirkt recht unscheinbar und ist doch nicht zu übersehen: „Der Stuhl des Chefredakteurs Karl Marx“ auf dem Karl-Marx-Platz ist inzwischen zu einem festen Bestandteil des Stadtbildes geworden und gilt als wichtiges Beispiel von Kunst im öffentlichen Raum in Kassel. Hildegard Jaekel schuf die Plastik im Rahmen des 1889 vom Kulturamt der Stadt ausgelobten Projekts „Heimat“, das sich mit dem Vorderen Westen auseinandersetzte. Zu ihrer Inspiration zu dem Kunstwerk sagte die 1939 in Mannheim geborene, freischaffende Künstlerin: „Ich ging also durch den Vorderen Westen spazieren und fand einen kleinen, dreieckigen Platz, der mit Basaltschotter bedeckt war. Poller begrenzten ihn, und rundherum brandete der Verkehr. Eigentlich ein sehr langweiliger Platz, ein Nichts, sehr uninteressant. Aber dieses Plätzchen hatte einen bemerkenswerten Namen: Karl-Marx-Platz! Ich blieb stehen und lachte. Das war's!“ So machte es sich die Künstlerin zur Aufgabe, Karl Marx auf „seinem Platz“ ein Denkmal zu setzen. Angeregt wurde sie durch ein Foto des Denkers, das ihn als Chefredakteur der „Neuen Rheinischen Zeitung“ 1848/49 in Köln aufrecht stehend neben einem Stuhl zeigt. Diesen Redakteursstuhl bildete sie in Messing nach (15x15x56 cm) und montierte ihn auf einer überproportional großen Stele (40x60x55 cm; Höhe 300 cm) auf einem dreieckigen Podest (132x195x183 cm; Höhe 25 cm). Der leere Stuhl symbolisiert dabei den „Weggang“ des Redakteurs, der mit dem Niedergang der sogenannten kommunistischen Systeme immer mehr auch als Mensch und Denker aus dem Bewusstsein der Menschen verschwindet. Gleichzeitig kritisiert die Unverhältnismäßigkeit zwischen Stuhl und Unterbau auch gerade diese Verdrängung von Marx’ umfangreichem Gedankengut hinter dem, was historisch aus einigen zusammenhangslosen Schlagworten gemacht wurde. Zudem beschäftigte sich die Künstlerin allerdings auch mit der städtebaulichen Situation des Platzes: So nimmt die dreieckige Grundform des Podests die einer Verkehrsinsel sehr ähnliche Gestalt des Platzes auf. Das für Podest und Stele verwendete Material, Waschbeton aus Basaltsplitt, ist das gleiche, das auch für den Bau von Pollern verwendet wird, die sich auf vielen modernen Plätzen finden. So schuf Hildegard Jaekel also nicht nur ein Denkmal für Karl Marx, sondern kritisierte mit seiner Ausgestaltung auch zum einen die mangelnde Würdigung des großen Denkers, zum anderen die unschöne Struktur des Karl-Marx-Platzes in Kassel. Dabei blieb das am 1. September 1989 aufgestellte Kunstwerk lange Zeit im Privatbesitz der Künstlerin. Die Stadt Kassel beabsichtigte zunächst, die Skulptur nur für kurze Zeit auf dem Platz zu erhalten. Nach Protesten der Anwohner durfte der Stuhl allerdings noch länger an seinem Ort bleiben. Um den endgültigen Verbleib zu sichern, erwarb der „Verein Kassel-West e.V.“ das Denkmal im Dezember 2006 mit Hilfe von Spendengeldern der Anwohner für ca. 5000 Euro. Bewohner aus dem Stadtteil pflegen und reinigen die Plastik in regelmäßigen Abständen. So bleibt Karl Marx sein Sitzplatz vor der Friedenskirche auch weiterhin erhalten.

aus Matthäus (Hrsg.), Plätze


Gedenktafel für Friedrich-Wilhelm Murnau

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Am Haus Elfbuchenstraße 4 befindet sich eine Gedenktafel für den großen Filmregisseur Friedrich Wilhelm Murnau, der hier von 1898 bis 1902 lebte (vgl. Weblinks).

Bedeutung des Namens

Früher den Hohenzollern gewidmet, wurde der Platz zusammen mit der Hohenzollernstraße 1947 nach Karl Marx, dem Begründer und führenden Vertreter des Marxismus bzw. des wissenschaftlichen Sozialismus und Kommunismus benannt. Marxismus ist die Bezeichnung für die von Marx und Engels entwickelte philosophischen, politischen, sozialen und ökonomischen Theorien und Lehren. Die Geschichte ist demnach die "Geschichte von Klassenkämpfen", die von Unterdrückern und Unterdrückten handelte. Die in der "Urgesellschaft" vorhandene Gleichheit aller soll durch den Kommunismus über den Weg des Sozialismus wieder erreicht werden. Während der historischen Epoche des Kapitalismus, der dem Sozialismus vorausgehe, basiere das Wachstum der Produktion auf der Ausbeutung des Menschen (Proletarier) durch den Menschen (Bourgeoisie). Da die besitzlosen Arbeiter nämlich mit ihrer Arbeitskraft in der Lage seien, den Wert für Waren zu erhöhen (Wertschöpfung), der Kapitalist sich aber die Differenz von produzierten Wert und Lohn, d. h. den Mehrwert, aneigne, werde der Arbeiter nach Marx ausgebeutet. Der historische Prozess werde vom Widerspruch der Produktivkräfte (u. a. auch menschliche Arbeitskraft) und den Produktionsverhältnissen (soziale Organisationsform von Rechts-, Eigentums- und Herrschaftsverhältnissen) vorangetrieben. Wenn die Produktionsverhältnisse nicht mehr der Fortentwicklung der Produktivkräfte entsprächen, komme es zu gesellschaftlichen Konflikten, die zu einer Revolution und damit zur Ablösung der bestehenden Ordnung führen könnten. Marx erklärt so den historischen Wechsel der herrschenden Klassen. Die historische Aufgabe des Proletariats als Unterdrückter sei es, die politische und ökonomische Macht zu erobern und sozialistische Produktionsverhältnisse, Kollektiveigentum, gesellschaftliche Planung und die "Diktatur des Proletariats" einzuführen. Er geht dabei davon aus, dass die weitere Entfesselung der Produktivkräfte, die der Kapitalismus zunächst ermöglicht, dann aber behindert habe, eine zunehmende Entlastung des Menschen von produktiven Tätigkeiten und damit ein erhöhtes Maß an Freiheit bringe. Wenn dies im Kommunismus erreicht sei, könne der Staatsapparat wegfallen, der Staat absterben. Karl Heinrich Marx, geboren am 05.05.1818 in Trier, studierte Rechtswissenschaft, Geschichte und Philosophie und beschäftigte sich insbesondere mit der Philosophie Hegels. Ab 1842/1843 war er bis zu ihrem Verbot Redakteur der "Rheinischen Zeitung". Unter dem Einfluss Feuerbachs wandte er sich von der Philosophie Hegels ab (Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie) und ab 1843 in Paris dem Sozialismus zu. Dabei begann er auch die Freundschaft und Zusammenarbeit mit Engels. 1845 aus Frankreich ausgewiesen, zog er nach Brüssel, um dort in enger Zusammenarbeit mit Engels im Auftrag des "Bundes der Kommunisten" das "Kommunistische Manifest" zu verfassen. Nachdem Marx auch aus Belgien ausgewiesen worden war, lebte er 1848 kurze Zeit in Köln, wo er die "Neue Rheinische Zeitung", die leitende Oppositionszeitung, als Chefredakteur über die Wirren der Revolution hinweg leitete. Nach dem Scheitern der Revolution wurde er von Preußen ins Exil geschickt. Darum lebte er bis zu seinem Tod in London. Finanziell von Engels unterstützt, gab er die "Neue Rheinische Revue" heraus, schrieb viele Artikel für die "New York Tribune" zur Weltpolitik und Weltwirtschaft. In London verfasste er dann auch seine eigentlichen wissenschaftliche Werke, wie z. B. "Zur Kritik der politischen Ökonomie" (1859) und den ersten Band von "Das Kapital" (1867). Die weiteren zwei Bände wurden mittels Aufzeichnungen von Engels nach dem Tod Marx' bearbeitet und schließlich 1885 und 1894 publiziert. Karl Heinrich Marx starb am 24.03.1883 in London. Marx' Denken hatte erheblichen Einfluss auf die deutsche (SPD) und internationale Arbeiterbewegung, aber auch die historischen und Sozialwissenschaften. Revolutionäre des 19. und 20. Jahrhunderts - nicht nur in Mittel- und Osteuropa - beriefen sich auf ihn und rechtfertigten kommunistische Systeme als auf wissenschaftlichen Lehren von Marx (und Lenin) beruhend. Im Sinne des Denkens von Marx wurde aber der "real existierende Sozialismus" auch kritisiert, der ganz gegen den Geist von Marx dessen Gedanken zu einem starren Gebäude und zu fixierten Lehren mache, die Bestehendes rechtfertigen sollten. Im Gefolge der Studentenbewegung in der zweiten Hälfte der 60er Jahre erlebte der Marxismus im Westen eine Renaissance, mit dem Zusammenbruch des Ostblocks scheint derzeit weltweit auch die radikale Kritik, die Marx am Kapitalismus übte, diskreditiert und von den Zwängen einer marktwirtschaftlichen Globalisierung überholt zu sein: einer Globalisierung, die Marx und Engels im kommunistischen Manifest von 1848 schon hellsichtig vorausgesehen hatten. Zur Zeit der Umbenennung des Platzes war die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) legal. Kommunisten hatten in Kassel zu einem Neuanfang im antifaschistischen Geist beigetragen - zum Teil im Auftrag der amerikanischen Besatzungsmacht, die nach "Unbelasteten" suchte; so waren sie z. B. in der Stadtverordnetenversammlung vertreten. Auch für die SPD spielte zu dieser Zeit marxistisches Denken offiziell noch eine Rolle. Die Partei propagierte in der Nachkriegszeit einen demokratischen Sozialismus, der ein sozialistisches Wirtschaftssystem mit Sozialisierung, Planung und Lenkung der Wirtschaft sowie ein parlamentarisch-demokratisches politisches System meinte. Die zentrale Straße des Stadtteils nach Karl Marx zu benennen, erschien zwei Jahre später, 1949, dann doch wohl nicht mehr angemessen. Übrig blieb der Karl-Marx-Platz - heute mit einem Denkmal, dem Stuhl des Redakteurs Karl Marx. Das Denkmal für Karl Marx und Friedrich Engels auf dem Alexanderplatz in Berlin ist nach der Vereinigung beschriftet worden: "Sorry Karl. Beim nächsten Mal machen wir es besser."

Weblinks

Informationen zu dem prominenten Anwohner des Karl-Marx-Platzes, Friedrich Wilhelm Murnau, finden Sie auf der Seite von Kassel West e.V.

Informationen zu Samuel Beckett, der mehrfach in der Nähe des Platzes für längere Zeit zu Besuch war, finden Sie auf der Seite von Kassel West e.V.

Der Stuhl des Redakteur auf der Seite von Kassel West e. V.

Dateien

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Literatur

Wolfgang Matthäus (Hg.), Plätze im Vorderen Westen. Geschichte(n) eines Kasseler Stadtteils, Kassel 2010 (Schriften der WERKSTATT GESCHICHTE an der Albert-Schweitzer-Schule, Heft 8)