Heinrich-Schütz-Schule: Unterschied zwischen den Versionen

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== Kurzbeschreibung ==
 
== Kurzbeschreibung ==
Die Heinrich-Schütz-Schule ist eine kooperative Gesamtschule mit musikalischem Schwerpunkt und pädagogischer Mittagsbetreuung. Der noch heute funktionale „Altbau“ aus dem Jahr 1930 ist ein über den Stadtteil und Kassel herausragendes, auch international beachtetes Beispiel des Bauhausstils. Bemerkenswert ist die Geschichte der Schule, deren Ursprung als erstes Gymnasium Kassels für Mädchen bei der Frauenbewegung zu Anfang des 20. Jahrhunderts liegt. Im Inneren der vor kurzer Zeit denkmalgerecht sanierten Schule gibt es ein Gedenkzeichen für ihre ehemaligen jüdischen Schülerinnen, auf der Freifläche hinter dem Gebäude hat Anatols „Traumschiff“ aus der Zeit der documenta 6 seinen Platz gefunden.  
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Die Heinrich-Schütz-Schule ist eine kooperative Gesamtschule mit musikalischem Schwerpunkt und pädagogischer Mittagsbetreuung. Der noch heute funktionale, von Tessenow entworfene „Altbau“ aus dem Jahr 1930 ist ein über den Stadtteil und Kassel herausragendes, auch international beachtetes Beispiel des Bauhausstils. Bemerkenswert ist die Geschichte der Schule, deren Ursprung als erstes Gymnasium Kassels für Mädchen bei der Frauenbewegung zu Anfang des 20. Jahrhunderts liegt. Im Inneren der vor kurzer Zeit denkmalgerecht sanierten Schule gibt es ein Gedenkzeichen für ihre ehemaligen jüdischen Schülerinnen, auf der Freifläche hinter dem Gebäude hat Anatols „Traumschiff“ aus der Zeit der documenta 6 seinen Platz gefunden. Ein dem Gebäude nicht gerecht werdender Anbau im Süden (1975) ist inzwischen abgerissen und seit 2011 durch einen neuen Anbau ersetzt, der als „Meysenbugflügel“  der ursprünglichen Namensgeberin gewidmet ist.
  
 
== Geschichte ==
 
== Geschichte ==
Vorläufer der heutigen Heinrich-Schütz-Schule waren die privat eingerichteten realgymnasialen Kurse, die Mädchen noch vor der Schulreform von 1908, die Frauen eine gymnasiale Bildung und auch das Studium ermöglichten, eingerichtet worden waren. Daraus entstand die Studienanstalt der realgymnasialen Richtung, die in städtischer Verantwortung später zum Lyzeum mit Studienanstalt wurde und in der Innenstadt untergebracht war
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Vorläufer der heutigen Heinrich-Schütz-Schule waren die privat eingerichteten realgymnasialen Kurse, die Mädchen noch vor der Schulreform von 1908, die Frauen eine gymnasiale Bildung und auch das Studium ermöglichten, eingerichtet worden waren. Daraus entstand die Studienanstalt der realgymnasialen Richtung, die in städtischer Verantwortung später zum Lyzeum mit Studienanstalt wurde und in der Innenstadt untergebracht war.
 
Das Gebäude der heutigen Heinrich-Schütz-Schule wurde ab 1927 geplant und im Jahr 1930 eingeweiht. Mit dem Einzug in das neue Gebäude erhielt die Schule den Namen "Malwida von Meysenbug-Schule". 1940 wurde sie von den Nationalsozialisten in Heinrich-Schütz-Schule unbenannt, weil diese die liberale, demokratische Frauenrechtlerin des 19. Jahrhunderts als Namensgeberin nicht mehr dulden wollten.
 
Das Gebäude der heutigen Heinrich-Schütz-Schule wurde ab 1927 geplant und im Jahr 1930 eingeweiht. Mit dem Einzug in das neue Gebäude erhielt die Schule den Namen "Malwida von Meysenbug-Schule". 1940 wurde sie von den Nationalsozialisten in Heinrich-Schütz-Schule unbenannt, weil diese die liberale, demokratische Frauenrechtlerin des 19. Jahrhunderts als Namensgeberin nicht mehr dulden wollten.
 
 
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== Architektur ==
 
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1927 wurde ein Wettbewerb zur Planung einer Mädchenoberschule am westlichen Ende der neu entstandenen Goetheanlage ausgeschrieben. Es gab keinen 1. Preis. Dennoch beauftragte man einen der Preisträger, Heinrich Tessenow (Berliner Professor) mit der Ausführung. Das Gebäude wurde 1930 eingeweiht.  
 
1927 wurde ein Wettbewerb zur Planung einer Mädchenoberschule am westlichen Ende der neu entstandenen Goetheanlage ausgeschrieben. Es gab keinen 1. Preis. Dennoch beauftragte man einen der Preisträger, Heinrich Tessenow (Berliner Professor) mit der Ausführung. Das Gebäude wurde 1930 eingeweiht.  
  
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2011 wurde ein neuer Gebäudeteil parallel zur Wilhelmshöher Allee Richtung Osten an den Sporthallentrakt angebaut (Architekten: Schultze und Schulze, Kassel). Dieser fügt sich mit seiner betont sachlichen Architektursprache und weißen Farbgebung gut in die Gesamtanlage ein und wird in Erinnerung an den früheren Namen der Schule Meysenbugflügel genannt.
 
2011 wurde ein neuer Gebäudeteil parallel zur Wilhelmshöher Allee Richtung Osten an den Sporthallentrakt angebaut (Architekten: Schultze und Schulze, Kassel). Dieser fügt sich mit seiner betont sachlichen Architektursprache und weißen Farbgebung gut in die Gesamtanlage ein und wird in Erinnerung an den früheren Namen der Schule Meysenbugflügel genannt.
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'''Innenarchitektur'''
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Das ursprüngliche Gebäude war von einer Wertschätzung für die handwerklich und ästhetisch anspruchsvolle Gestaltung im Inneren mit entsprechenden Materialien gekennzeichnet. Dies fiel verschiedenen Sanierungen und Modernisierungen der Nachkriegszeit oft zum Opfer. Die jüngste Sanierung in den letzten Jahren war dagegen von dem Gedanken geprägt, möglichst viel von dem zu erhalten. was im Zeitalter dies Kunststoffes noch überlebt hatte.
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== Sehenswürdigkeiten / Besonderheiten ==
 
== Sehenswürdigkeiten / Besonderheiten ==
  
 
'''Tante Olga - ein Kunstwerk von Anatol aus der Zeit der documenta 6'''
 
'''Tante Olga - ein Kunstwerk von Anatol aus der Zeit der documenta 6'''
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Eng verbunden mit der Schule ist das Kunstwerk, das sich auf der Rasenfläche zwischen Aulatrakt und Hauptgebäude zum Platz hin befindet. Es steht nicht zufällig dort. Der Kunstlehrer der Schule Ingo Doering hatte entscheidenden Anteil daran, dass es hier seinen Platz fand. Er schreibt über die Vorgeschichte:  
 
Eng verbunden mit der Schule ist das Kunstwerk, das sich auf der Rasenfläche zwischen Aulatrakt und Hauptgebäude zum Platz hin befindet. Es steht nicht zufällig dort. Der Kunstlehrer der Schule Ingo Doering hatte entscheidenden Anteil daran, dass es hier seinen Platz fand. Er schreibt über die Vorgeschichte:  
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'''Das Gedenkzeichen für Lisel Israel'''
 
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In den 1980er Jahren erforschten einige Schülerinnen und Schüler zusammen mit einem Lehrer das Schicksal der ehemaligen jüdischen Schülerinnen der Schule in der Zeit des NS. Ergebnis war die Publikation "Als jüdische Schülerin entlassen" (1984/1987). Ein weiteres Ergebnis war die Anbringung eines Gedenkzeichens für die einzige Schülerin, die dem Völkermord zum Opfer gefallen war: Lisel Israel, die in der Herkulesstraße wohnte. Über ihr Schicksal gibt das Gedenkbuch des Bundesarchivs Auskunft:
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Wolff, Lisel Liesel Lore
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geborene Israel
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geboren am 11. Juni 1922 in Kassel / - / Hessen - Nassau
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01. März 1943, Auschwitz, Vernichtungslager
  
 
== Bedeutung des Namens ==
 
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Nach Ablauf dieser Ausbildung kehrte Schütz 1613 nach Deutschland zurück, wurde Hoforganist in Kassel. Zu dieser Zeit wurde nun auch das Interesse des Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen an Schütz geweckt. Dieser übte Druck auf Landgraf Moritz aus, so dass sich heftige Auseinandersetzungen anschlossen. Kurfürst Johann Georg I. setzte sich schließlich durch, so dass Schütz als Hofkapellmeister an die Hof­kapelle in Dresden ging, wo er 25 Jahre lang angestellt war, auch wenn er zum Aufbau der Hofkapelle in Kopenhagen sowie in Braunschweig und Hannover wirkte. Im Rahmen dieses Amtes entstanden neben geistlichen auch weltliche Werke, die jedoch in weiten Teilen verloren gingen. All seine Werke waren stark vom italienischen Stil beeinflusst, was sicherlich auf seine Ausbildung bei dem Italiener Giovanni Gabrieli zurückzuführen ist.  
 
Nach Ablauf dieser Ausbildung kehrte Schütz 1613 nach Deutschland zurück, wurde Hoforganist in Kassel. Zu dieser Zeit wurde nun auch das Interesse des Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen an Schütz geweckt. Dieser übte Druck auf Landgraf Moritz aus, so dass sich heftige Auseinandersetzungen anschlossen. Kurfürst Johann Georg I. setzte sich schließlich durch, so dass Schütz als Hofkapellmeister an die Hof­kapelle in Dresden ging, wo er 25 Jahre lang angestellt war, auch wenn er zum Aufbau der Hofkapelle in Kopenhagen sowie in Braunschweig und Hannover wirkte. Im Rahmen dieses Amtes entstanden neben geistlichen auch weltliche Werke, die jedoch in weiten Teilen verloren gingen. All seine Werke waren stark vom italienischen Stil beeinflusst, was sicherlich auf seine Ausbildung bei dem Italiener Giovanni Gabrieli zurückzuführen ist.  
 
Mit der Hochzeit mit Magdalena Wildeck setzte 1619 eine äußerst schöpferische Phase im Leben von Schütz ein, in der auch die Psalmen Davids op. 2 im Druck erschienen. Auch das großartige lateinische Magnificat ist wohl in dieser Zeit anzusetzen. 1625 verlor Schütz seine geliebte Frau bereits früh.
 
Mit der Hochzeit mit Magdalena Wildeck setzte 1619 eine äußerst schöpferische Phase im Leben von Schütz ein, in der auch die Psalmen Davids op. 2 im Druck erschienen. Auch das großartige lateinische Magnificat ist wohl in dieser Zeit anzusetzen. 1625 verlor Schütz seine geliebte Frau bereits früh.
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In Folge des Dreißigjährigen Krieges musste Schütz seine musikalischen Anforderungen stark zurückstellen, schuf zur Hochzeit der ältesten Tochter des Landgrafen dennoch die "Tragicomoedia von der Dafne" (1627 vollendet), die als erste deutsche Oper gilt. 1628 unternahm er eine erneute Italienreise, bei der er auf Claudio Monteverdi traf. Diese Begegnung sollte neue Anregungen, neue Impulse für seine Musik mit sich bringen. Die Unsicherheit, das Chaos, welches der Krieg mit sich brachte, stellte für Schütz den Anlass dar, in seinen Werken Kritik am Krieg zu üben.  
 
In Folge des Dreißigjährigen Krieges musste Schütz seine musikalischen Anforderungen stark zurückstellen, schuf zur Hochzeit der ältesten Tochter des Landgrafen dennoch die "Tragicomoedia von der Dafne" (1627 vollendet), die als erste deutsche Oper gilt. 1628 unternahm er eine erneute Italienreise, bei der er auf Claudio Monteverdi traf. Diese Begegnung sollte neue Anregungen, neue Impulse für seine Musik mit sich bringen. Die Unsicherheit, das Chaos, welches der Krieg mit sich brachte, stellte für Schütz den Anlass dar, in seinen Werken Kritik am Krieg zu üben.  
 
Schütz als Hofkapellmeister ersuchte den Kurfürsten von Sachsen immer wieder um Versetzung in den Ruhestand, was dieser jedoch nicht gewährte. Erst dessen Sohn Johann Georg II. von Sachsen erwies sich als nachsichtiger. In den Jahren 1664 bis 1666 beendete er die Passionen nach Matthäus, Lukas und Johannes, denen gemeinsam war, dass mit einfachsten Mitteln eine sehr starke Wirkung erzielt wurde. Mit Beendigung seines Meisterwerks des deutschen Magnificats starb Heinrich Schütz am 6. November 1672 im Alter von 87 Jahren in Dresden.  
 
Schütz als Hofkapellmeister ersuchte den Kurfürsten von Sachsen immer wieder um Versetzung in den Ruhestand, was dieser jedoch nicht gewährte. Erst dessen Sohn Johann Georg II. von Sachsen erwies sich als nachsichtiger. In den Jahren 1664 bis 1666 beendete er die Passionen nach Matthäus, Lukas und Johannes, denen gemeinsam war, dass mit einfachsten Mitteln eine sehr starke Wirkung erzielt wurde. Mit Beendigung seines Meisterwerks des deutschen Magnificats starb Heinrich Schütz am 6. November 1672 im Alter von 87 Jahren in Dresden.  
 
Zwar wurde ihm bereits zu Lebzeiten der Titel "Vater unserer (der deutschen) modernen Musik" zugeschrieben, doch eine wirkliche Würdigung seiner Werke fand erst nach seinem Tod - ab Ende des 19. Jahrhunderts - statt. Schütz gilt heute als der wichtigste deutsche Komponist vor Bach (und nicht nur als sein Vorläufer) und neben Monteverdi als der bedeutendste des 17. Jahrhunderts. In Kassel ist nach ihm auch die Heinrich-Schütz-Allee benannt, an der der Bärenreiter-Verlag liegt, der sein Werk betreut. Die Internationale Heinrich-Schütz-Gesellschaft, 1930 als Neue Schütz-Gesellschaft von Hans Joachim Moser, Fritz Schmidt, Karl Vötterle und anderen gegründet, hat ihren Sitz in Kassel, der ersten Wirkungsstätte des Komponisten. Seit 1954 entstanden zahlreiche weitere Sektionen in europäischen und außereuropäischen Ländern. Der Bärenreiter-Verlag gibt Schütz' Werke heraus.
 
Zwar wurde ihm bereits zu Lebzeiten der Titel "Vater unserer (der deutschen) modernen Musik" zugeschrieben, doch eine wirkliche Würdigung seiner Werke fand erst nach seinem Tod - ab Ende des 19. Jahrhunderts - statt. Schütz gilt heute als der wichtigste deutsche Komponist vor Bach (und nicht nur als sein Vorläufer) und neben Monteverdi als der bedeutendste des 17. Jahrhunderts. In Kassel ist nach ihm auch die Heinrich-Schütz-Allee benannt, an der der Bärenreiter-Verlag liegt, der sein Werk betreut. Die Internationale Heinrich-Schütz-Gesellschaft, 1930 als Neue Schütz-Gesellschaft von Hans Joachim Moser, Fritz Schmidt, Karl Vötterle und anderen gegründet, hat ihren Sitz in Kassel, der ersten Wirkungsstätte des Komponisten. Seit 1954 entstanden zahlreiche weitere Sektionen in europäischen und außereuropäischen Ländern. Der Bärenreiter-Verlag gibt Schütz' Werke heraus.
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== Weblinks ==
 
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[http://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/bitstream/urn:nbn:de:hebis:34-2008081123170/1/AlsJuedischeSchuelerinEntlassen.pdf Das Buch "Als jüdische Schülerin entlassen. Erinnerungen und Dokumente zur Geschichte der Heinrich-Schütz-Schule in Kassel" von D. Heither, W. Matthäus und B. Pieper finden Sie hier vollständig als pdf.]
 
[http://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/bitstream/urn:nbn:de:hebis:34-2008081123170/1/AlsJuedischeSchuelerinEntlassen.pdf Das Buch "Als jüdische Schülerin entlassen. Erinnerungen und Dokumente zur Geschichte der Heinrich-Schütz-Schule in Kassel" von D. Heither, W. Matthäus und B. Pieper finden Sie hier vollständig als pdf.]
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[http://www.tessenow-gesellschaft.hamburg.de/ Zum Architekten der Schule Heinrich Tessenow]
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[http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Tessenow wikipedia zu Tessenow]
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[http://www.heinrich-schuetz-schule.de/ Webseite der HSS]
  
 
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== Literatur ==
 
== Literatur ==
Wolfgang Matthäus (Hg.), Plätze im Westen. Geschichte(n) eines Kasseler Stadtteils, Kassel 2010
 
  
Wolfgang Matthäus (Hg.), Vom Hohenzollernviertel zum Vorderen Westen. Straßennamen, Geschichte und „Geschichtspolitik“, Kassel 2005
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Dietrich Heither / Wolfgang Matthäus / Bernd Pieper: Als jüdische Schülerin entlassen. Erinnerungen und Dokumente zur Geschichte der Heinrich-Schütz-Schule in Kassel, 2. Aufl. Kassel 1987
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Wolfgang Matthäus, Höhere Mädchenbildung im Nationalsozialismus. Aspkte der Geschichte der Malwida-von-Meysenbug-Schule in Kassel, in: Volksgemeinschaft und Volksfeinde. Kassel 1933-1945, Bd. 2, hrsg. von Wilhelm Frenz, Jörg Kammler und Dietfrid Krause-Vilmar, Kassel 1987, S. 104-125
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ders. (Hg.), Plätze im Westen. Geschichte(n) eines Kasseler Stadtteils, Kassel 2010
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ders. (Hg.), Vom Hohenzollernviertel zum Vorderen Westen. Straßennamen, Geschichte und „Geschichtspolitik“, Kassel 2005
  
 
Thomas Wiegand, Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Hessen. Stadt Kassel II, hg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden 2005
 
Thomas Wiegand, Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Hessen. Stadt Kassel II, hg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden 2005

Aktuelle Version vom 3. März 2015, 13:40 Uhr

Kurzbeschreibung

A4 H.Schƒtzschule-Wo189 6.jpg

Die Heinrich-Schütz-Schule ist eine kooperative Gesamtschule mit musikalischem Schwerpunkt und pädagogischer Mittagsbetreuung. Der noch heute funktionale, von Tessenow entworfene „Altbau“ aus dem Jahr 1930 ist ein über den Stadtteil und Kassel herausragendes, auch international beachtetes Beispiel des Bauhausstils. Bemerkenswert ist die Geschichte der Schule, deren Ursprung als erstes Gymnasium Kassels für Mädchen bei der Frauenbewegung zu Anfang des 20. Jahrhunderts liegt. Im Inneren der vor kurzer Zeit denkmalgerecht sanierten Schule gibt es ein Gedenkzeichen für ihre ehemaligen jüdischen Schülerinnen, auf der Freifläche hinter dem Gebäude hat Anatols „Traumschiff“ aus der Zeit der documenta 6 seinen Platz gefunden. Ein dem Gebäude nicht gerecht werdender Anbau im Süden (1975) ist inzwischen abgerissen und seit 2011 durch einen neuen Anbau ersetzt, der als „Meysenbugflügel“ der ursprünglichen Namensgeberin gewidmet ist.

Geschichte

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Vorläufer der heutigen Heinrich-Schütz-Schule waren die privat eingerichteten realgymnasialen Kurse, die Mädchen noch vor der Schulreform von 1908, die Frauen eine gymnasiale Bildung und auch das Studium ermöglichten, eingerichtet worden waren. Daraus entstand die Studienanstalt der realgymnasialen Richtung, die in städtischer Verantwortung später zum Lyzeum mit Studienanstalt wurde und in der Innenstadt untergebracht war. Das Gebäude der heutigen Heinrich-Schütz-Schule wurde ab 1927 geplant und im Jahr 1930 eingeweiht. Mit dem Einzug in das neue Gebäude erhielt die Schule den Namen "Malwida von Meysenbug-Schule". 1940 wurde sie von den Nationalsozialisten in Heinrich-Schütz-Schule unbenannt, weil diese die liberale, demokratische Frauenrechtlerin des 19. Jahrhunderts als Namensgeberin nicht mehr dulden wollten.

Architektur

B5 IMG 3739.jpg
B5 IMG 3733.jpg

1927 wurde ein Wettbewerb zur Planung einer Mädchenoberschule am westlichen Ende der neu entstandenen Goetheanlage ausgeschrieben. Es gab keinen 1. Preis. Dennoch beauftragte man einen der Preisträger, Heinrich Tessenow (Berliner Professor) mit der Ausführung. Das Gebäude wurde 1930 eingeweiht.

Dieser Bau ist ein typisches und seltenes Beispiel für die Neue Sachlichkeit. Der Komplex bestand damals aus vier kubischen, ineinander verzahnten Baukörpern: das große dreigeschossige um einen Innenhof gebaute Unterrichtsgebäude, den Westflügel mit Festsaal, den Ostflügel mit zwei übereinander liegenden Turnhallen und dem Hausmeistergebäude im Norden. Der Schulhof liegt im Osten Richtung Goetheanlage, zur Wilhelmshöher Allee im Süden wurde ein kleiner Park angelegt. Die wesentlichen Gliederungselemente der Fassaden ist das Fensterraster. Annähernd quadratische sechzehnteilige Sprossenfenster liegen bündig in der Fassade. Einerseits wirkt das Gebäude streng, andererseits hat es einen sehr menschlichen Maßstab. Baudetails wurden sorgfältig geplant und ausgeführt.

Im 2. Weltkrieg wurde die Schule nur wenig zerstört. 1955 waren die Reparaturarbeiten wieder abgeschlossen.

1975 wurde das Gebäude durch einen Anbau (Planung: Städtisches Hochbauamt) zur Wilhelmshöher Allee erweitert. Dies war allerdings ein Bruch mit dem ursprünglichen Gestaltungskonzept. Inzwischen ist dieses Gebäude aber wieder abgerissen.

2011 wurde ein neuer Gebäudeteil parallel zur Wilhelmshöher Allee Richtung Osten an den Sporthallentrakt angebaut (Architekten: Schultze und Schulze, Kassel). Dieser fügt sich mit seiner betont sachlichen Architektursprache und weißen Farbgebung gut in die Gesamtanlage ein und wird in Erinnerung an den früheren Namen der Schule Meysenbugflügel genannt.

Innenarchitektur

Das ursprüngliche Gebäude war von einer Wertschätzung für die handwerklich und ästhetisch anspruchsvolle Gestaltung im Inneren mit entsprechenden Materialien gekennzeichnet. Dies fiel verschiedenen Sanierungen und Modernisierungen der Nachkriegszeit oft zum Opfer. Die jüngste Sanierung in den letzten Jahren war dagegen von dem Gedanken geprägt, möglichst viel von dem zu erhalten. was im Zeitalter dies Kunststoffes noch überlebt hatte.

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B5 IMG 3741.jpg
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Sehenswürdigkeiten / Besonderheiten

Tante Olga - ein Kunstwerk von Anatol aus der Zeit der documenta 6

A5 Traumschiff63842508.jpg

Eng verbunden mit der Schule ist das Kunstwerk, das sich auf der Rasenfläche zwischen Aulatrakt und Hauptgebäude zum Platz hin befindet. Es steht nicht zufällig dort. Der Kunstlehrer der Schule Ingo Doering hatte entscheidenden Anteil daran, dass es hier seinen Platz fand. Er schreibt über die Vorgeschichte:

„Ihr könnt doch nicht die ganzen Ferien vor der Glotze hängen“, tadelte Anatol die Dorfjugend von Dangast, einem kleinen friesischen Küstenort am Jadebusen, wo er sich gerne aufhielt, wenn er von seinem Düsseldorfer Berufsalltag Abstand gewinnen wollte. Und den Vätern von Dangast hielt er vor, sie würden sich zu wenig um ihren Nachwuchs kümmern und stattdessen lieber bei Tante Olga, der Kneipenwirtin, sich am Bierglas festhalten. „Macht doch mal irgendwas zusammen, statt immer so schlaff und tatenlos rumzusitzen! Habt Ihr denn wenigstens noch Träume?“ Totenstille. Aber dann meldete sich Jens, der jüngste der Kneipengäste und erzählte seinen schönsten Kindertraum. Er berichtete von einem außergewöhnlichen weißen Schiff, wie aus Papier gefaltet, aber so groß, dass alle seine Freunde hineinpassten. Und mit diesem Schiff fuhren sie auf das Meer hinaus. Wieder Totenstille. Aber dann verkündete Anatol mit lauter Stimme, die keinen Widerspruch duldete: „Dieses Schiff bauen wir - wenn Ihr wollt - alle zusammen. Jeder, der will, kann mitmachen!“ Und jeder wollte und alle - ob groß oder klein - trafen sich von nun an täglich bei „Tante Olga“, die für dieses Projekt den alten Tanzsaal ihres Dorfgasthauses zur Verfügung stellte und der sich von heute auf morgen in eine „Traumschiff-Werkstatt“ verwandelte. Anatol sorgte für die Materialien und das „Know-how“. Mit großem „Hallo“ wurde das weiße Boot zu Wasser gelassen - und ging nicht unter. Es schwamm tatsächlich. Einhellig war man der Meinung, man sollte jetzt eine richtige Jungfernfahrt machen - so wie es sich für ein anständiges Schiff gehört. Die Frage war nur: Wohin? Was wäre ein angemessenes Ziel für die allererste Fahrt dieses Traumschiffs? Während alle noch über diese Frage rätselten, kam ihnen Anatol zuvor. „Nach Kassel“ verkündete er, „wir fahren zur documenta 6. Das nämlich wäre mein Traum!“ So weit die friesische Vorgeschichte. Sieben Tage dauerte die Fahrt, zunächst auf der Weser im Schlepptau eines Motorschiffes, durch zahllose Schleusen und schließlich über die Fulda bis nach Kassel. Als endlich das Boot in Kassel eintraf, war der Medienrummel, den es auslöste, enorm: im Wasser, auf dem Lande und in der Luft, d. h. Begleitboote auf der Fulda mit fotografierenden Bildreportern, wartende Journalisten am Ufer und sogar ein Helikopter mit einem Fernseh-Team dokumentierten und kommentierten die Landung dieser skurrilen kleinen Flotte. Ein glücklicher Zufall schickte in diesem Moment eine neugierige Schülergruppe der nahe liegenden Herderschule vorbei, die mit ihrem Sportkurs das wöchentliche Lauftraining in der Karlsaue absolvierte. Mit einer vitalen Mischung aus Hilfsbereitschaft und Abenteuerlust zogen sie unter Anatols Kommando und den anfeuernden Rufen der anwesenden documenta-Besucher das Boot an Land und dann - wie in archaischen Frühkulturen auf kurzen Baumstämmen rollend - den Fuldahang hoch über die Straße bis in die Mitte der Karlswiese. Vom ersten Tag an waren Publikum und Presse so begeistert, dass der zu erwartende Platzverweis von Seiten der documenta-Organisatoren schon im Keim erstickt wurde. So blieb - womit niemand gerechnet hatte - das Boot mitten auf der großen, grünen Wiese stehen, leuchtete strahlend weiß und wurde von morgens bis abends bestaunt, belächelt, fotografiert, und vor allem von den Kindern über alles geliebt. Es bedurfte keiner kunstwiss­enschaftlichen Erklärungen und Interpretationen von Experten der zeitgenössischen Kunst. Es war einfach da und sprach für sich selbst: ein formgewordener Kindertraum, der scheinbar Unmögliches möglich gemacht hatte. Am Ende des beschwingten documenta-Sommers, war Anatol wie umgewandelt. Zwei offizielle Schreiben der Ausstellungsleitung hatten ihn mächtig unter Druck gesetzt. Als eigenverantwortlicher ungeladener Gast habe er die „Entfernung“ seines Schiffes selbst zu organisieren, anderen­falls­ würde es kostenpflichtig von einer Kasseler Firma „entsorgt“ und das heißt verschrottet. Das alles konnte unter Umständen „Tausende“ kosten - zu viel für einen Künstler wie Anatol, der zwar Ruhm und Ehre mit seiner „Traumschiff-Aktion“ geerntet, aber keine einzige Mark verdient hatte. „Das Ding muss weg!“ erklärte er entschlossen und blickte ziemlich finster. „Je eher, desto besser. Nenne mir eine Schrottfirma in Kassel. Ich muss das selbst in die Hand nehmen, bevor mich eine unübersehbare Kostenlawine überrollt!“ Meine Reaktion darauf war Entsetzen und Trauer, aber auch Wut und Empörung. Das Traumschiff der documenta - dieser schöne, weiße leuchtende Schmetterling für 100 Tage - einfach Klatsch - wie einen Lüstling vernichten? Niemals! Als sich nach stundenlanger Diskussion und ungezählten Gläsern meine Bodenhaftung gelöst hatte, teilte ich Anatol meine Vision vom zukünftigen Standort seines Schiffes mit: auf dem Gelände meiner Heinrich-Schütz-Schule, auf dem grünen Rasen vor dem Hauptgebäude und deren angewinkelter großer Aula, als strahlend weißer, spielerischer „point de vu“ vor der strengen, sachlichen und mit den Jahren unansehnlich gewordenen klassischen Tessenow-Fassade. Die Idee gefiel Anatol gut, so dass er in meinen Plan einwilligte. Um die Ernsthaftigkeit dieses Vorhabens zu unterstreichen, machten wir einen Schenkungsvertrag. Aber ein großes Problem galt es noch zu lösen: den Transport aus der Karlsaue zur Heinrich-SchützSchule und seine Kosten. Wider Erwarten nahm Herr Dr. Mehrhoff, der damalige Schulleiter, meine Nachricht mit leuchtenden Augen zur Kenntnis, griff zum Telefon und bat beim Schulverwaltungsamt um eine verbindliche Rechtsauskunft. Grundsätzlich würde man dieser Idee zustimmen und auch gegen den gewünschten Standort auf dem Schulgelände sei nichts einzuwenden, solange keine Gefahr für Schüler bestehe. Und die Kostenfrage sei das geringste Problem, denn den Transport übernehme auf jeden Fall der Schulträger, der per Gesetz verpflichtet sei, Eigentum der Schule dieser auch zuzuführen. Den Rest besorgte der „Masterplan“ der Städtischen Fahrbereitschaft mit einer bewundernswerten Logistik. An einem Dienstag zwischen 14.00 und 15.00 Uhr - damals laut Statistik die Zeitspanne mit dem geringsten Verkehrsaufkommen zwischen der Karlsaue und der Heinrich-Schütz-Schule - per Tieflader mit 20km/h - sollte die letzte große Aktion des Schiffes statt­finden. Per Sprechfunk wurden alle Ampeln dieser Strecke auf „grüne Welle“ geschaltet, denn schon der geringste Bremsvorgang und die damit verbundene Schubkraft der ungewöhnlichen Ladung, die ohnehin schon hinten fast zwei Meter überhing, hätte den Transport gefährdet. Ein Kran vor Ort hievte das schwankende, tonnenschwere Schiff punktgenau auf die Markierung im Rasen. Und dort steht es heute noch. Alt und grau war es geworden in den 30 Jahren. Doch zur 100Jahr-Feier der Schule hat sich die Kasseler Sparkasse bereit erklärt, die Restaurierungskosten zu übernehmen. Der Bootsbaumeister Hillmann hat in mühevoller Handarbeit Schmutz beseitigt und kleine Schäden behoben. Nun strahlt das Kunstwerk von Anatol fast wie am ersten Tag der documenta 6. (mit freundlicher Genehmigung entnommen aus: Heinrich-Schütz-Schule 1909-2009, S. 18f.)

Das Gedenkzeichen für Lisel Israel

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In den 1980er Jahren erforschten einige Schülerinnen und Schüler zusammen mit einem Lehrer das Schicksal der ehemaligen jüdischen Schülerinnen der Schule in der Zeit des NS. Ergebnis war die Publikation "Als jüdische Schülerin entlassen" (1984/1987). Ein weiteres Ergebnis war die Anbringung eines Gedenkzeichens für die einzige Schülerin, die dem Völkermord zum Opfer gefallen war: Lisel Israel, die in der Herkulesstraße wohnte. Über ihr Schicksal gibt das Gedenkbuch des Bundesarchivs Auskunft:

Wolff, Lisel Liesel Lore geborene Israel

geboren am 11. Juni 1922 in Kassel / - / Hessen - Nassau

wohnhaft in Kassel

Deportationsziel: ab Berlin 01. März 1943, Auschwitz, Vernichtungslager

Bedeutung des Namens

Der ersten zum Abitur für Mädchen führenden Schule in Kassel, der Studienanstalt der realgymnasialen Richtung, war 1930 mit der Verstaatlichung, der Übernahme durch den preußischen Staat, die Bezeichnung Malwida von Meysenbug-Schule verliehen worden. Das erinnerte an "feministische" und demokratische Traditionen (vgl. Meysenbugstraße). Mit dem 1. Januar 1940 schien das nicht mehr tragbar und die Schule wurde umbenannt. Sie hatte Glück oder auch Pech (der “unpolitische”neue Namensgeber blieb)- je nachdem, wie man es sieht. Offensichtlich hatten interessierte Kreise in Kassel, Sitz der 1930 gegründeten "Neuen Heinrich-Schütz-Gesellschaft", Interesse daran, den Namen Heinrich Schütz populär zu machen. Genau nachzuweisen ist das allerdings nicht. Jedenfalls erhielt die Schule 1940 Schütz zum Namenspatron, obwohl Expertisen des Ministeriums ihn mit einer angeblichen Nähe zum alten Testament (jüdisch) zu diskreditieren suchten. Das war eine Umbenennung, die keine typisch nationalsozialistische war und deshalb auch Anfang der 50er Jahre auf Wunsch der Schulgemeinde der Heinrich-Schütz-Schule (leider) beibehalten wurde. Die Pflege der Musik ist Tradition an der Schule - heute in einem breit gefächerten Spektrum vom Rock bis zu Heinrich Schütz. Heinrich Schütz wurde am 14. Ok­tober 1585 in Köstritz/Thüringen geboren und wuchs in Weißenfels an der Saale auf. Er war der Sohn von Christoph Schütz, der einer wohlhabenden Familie entstammte. Mit 13 Jahren war Schütz Kapellknabe am Collegium Mauritianum in Kassel, das von Landgraf Moritz ein­gerichtet worden war, der ihn "ent­deckte". Die Förderung durch Landgraf Moritz von Hessen-Kassel ermöglichte Schütz schließlich ein Jurastudium in Marburg. Zwei Jahre später jedoch bot ihm ein Stipendium die Möglichkeit zu einer dreijährigen Musikerausbildung bei Giovanni Gabrieli in Venedig. Auch diese neuen Perspektiven eröffneten sich durch die Unterstützung des Landgrafen, den Schütz daher das ganze Leben lang als seinen verehrten Lehrer ansah. Nach Ablauf dieser Ausbildung kehrte Schütz 1613 nach Deutschland zurück, wurde Hoforganist in Kassel. Zu dieser Zeit wurde nun auch das Interesse des Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen an Schütz geweckt. Dieser übte Druck auf Landgraf Moritz aus, so dass sich heftige Auseinandersetzungen anschlossen. Kurfürst Johann Georg I. setzte sich schließlich durch, so dass Schütz als Hofkapellmeister an die Hof­kapelle in Dresden ging, wo er 25 Jahre lang angestellt war, auch wenn er zum Aufbau der Hofkapelle in Kopenhagen sowie in Braunschweig und Hannover wirkte. Im Rahmen dieses Amtes entstanden neben geistlichen auch weltliche Werke, die jedoch in weiten Teilen verloren gingen. All seine Werke waren stark vom italienischen Stil beeinflusst, was sicherlich auf seine Ausbildung bei dem Italiener Giovanni Gabrieli zurückzuführen ist. Mit der Hochzeit mit Magdalena Wildeck setzte 1619 eine äußerst schöpferische Phase im Leben von Schütz ein, in der auch die Psalmen Davids op. 2 im Druck erschienen. Auch das großartige lateinische Magnificat ist wohl in dieser Zeit anzusetzen. 1625 verlor Schütz seine geliebte Frau bereits früh.

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In Folge des Dreißigjährigen Krieges musste Schütz seine musikalischen Anforderungen stark zurückstellen, schuf zur Hochzeit der ältesten Tochter des Landgrafen dennoch die "Tragicomoedia von der Dafne" (1627 vollendet), die als erste deutsche Oper gilt. 1628 unternahm er eine erneute Italienreise, bei der er auf Claudio Monteverdi traf. Diese Begegnung sollte neue Anregungen, neue Impulse für seine Musik mit sich bringen. Die Unsicherheit, das Chaos, welches der Krieg mit sich brachte, stellte für Schütz den Anlass dar, in seinen Werken Kritik am Krieg zu üben. Schütz als Hofkapellmeister ersuchte den Kurfürsten von Sachsen immer wieder um Versetzung in den Ruhestand, was dieser jedoch nicht gewährte. Erst dessen Sohn Johann Georg II. von Sachsen erwies sich als nachsichtiger. In den Jahren 1664 bis 1666 beendete er die Passionen nach Matthäus, Lukas und Johannes, denen gemeinsam war, dass mit einfachsten Mitteln eine sehr starke Wirkung erzielt wurde. Mit Beendigung seines Meisterwerks des deutschen Magnificats starb Heinrich Schütz am 6. November 1672 im Alter von 87 Jahren in Dresden. Zwar wurde ihm bereits zu Lebzeiten der Titel "Vater unserer (der deutschen) modernen Musik" zugeschrieben, doch eine wirkliche Würdigung seiner Werke fand erst nach seinem Tod - ab Ende des 19. Jahrhunderts - statt. Schütz gilt heute als der wichtigste deutsche Komponist vor Bach (und nicht nur als sein Vorläufer) und neben Monteverdi als der bedeutendste des 17. Jahrhunderts. In Kassel ist nach ihm auch die Heinrich-Schütz-Allee benannt, an der der Bärenreiter-Verlag liegt, der sein Werk betreut. Die Internationale Heinrich-Schütz-Gesellschaft, 1930 als Neue Schütz-Gesellschaft von Hans Joachim Moser, Fritz Schmidt, Karl Vötterle und anderen gegründet, hat ihren Sitz in Kassel, der ersten Wirkungsstätte des Komponisten. Seit 1954 entstanden zahlreiche weitere Sektionen in europäischen und außereuropäischen Ländern. Der Bärenreiter-Verlag gibt Schütz' Werke heraus.


Fotogalerie

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Weblinks

Das Buch "Als jüdische Schülerin entlassen. Erinnerungen und Dokumente zur Geschichte der Heinrich-Schütz-Schule in Kassel" von D. Heither, W. Matthäus und B. Pieper finden Sie hier vollständig als pdf.

Zum Architekten der Schule Heinrich Tessenow

wikipedia zu Tessenow

Webseite der HSS

Dateien

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Literatur

Dietrich Heither / Wolfgang Matthäus / Bernd Pieper: Als jüdische Schülerin entlassen. Erinnerungen und Dokumente zur Geschichte der Heinrich-Schütz-Schule in Kassel, 2. Aufl. Kassel 1987

Wolfgang Matthäus, Höhere Mädchenbildung im Nationalsozialismus. Aspkte der Geschichte der Malwida-von-Meysenbug-Schule in Kassel, in: Volksgemeinschaft und Volksfeinde. Kassel 1933-1945, Bd. 2, hrsg. von Wilhelm Frenz, Jörg Kammler und Dietfrid Krause-Vilmar, Kassel 1987, S. 104-125

ders. (Hg.), Plätze im Westen. Geschichte(n) eines Kasseler Stadtteils, Kassel 2010

ders. (Hg.), Vom Hohenzollernviertel zum Vorderen Westen. Straßennamen, Geschichte und „Geschichtspolitik“, Kassel 2005

Thomas Wiegand, Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Hessen. Stadt Kassel II, hg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden 2005