Dingelstedtstraße / Achenbachstraße

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Kurzbeschreibung

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Hier stehen sich zwei Häuser aus fast derselben Bauzeit, aber mit sehr unterschiedlichen architektonischen Grundhaltungen gegenüber. Während das Flachdachgebäude der Kindertagesstätte Dingelstedtstraße 10 (Baujahr: 1929) die neue Sachlichkeit der 1920er Jahre verkörpert, zeigt sich das Haus in der Achenbachstraße 13 (Baujahr: 1926) als ein gemauertes deutsches Wohnhaus (nach englischem Vorbild) mit steilem Walmdach. In der Kindertagesstätte der Diakonie sollten 120 Kinder aus sozial schwachen Familien vom Krabbel- bis zum Hortalter Freiheit, Weite, Licht, Luft und Sonne aufnehmen und mit nach Hause nehmen können. Das Gebäude des Architekten Borkowski trug dem Rechnung auf einem problematischen Gelände, das bewusst nicht umzäunt wurde. Es wurde weit über Kassel hinaus beachtet.

Architektur

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Die 1929 eingeweihte Kindertagesstätte ist eines der wenigen erhaltenen Beispiele Kassels für die Architektur aus der Bauhauszeit. Die radikale Schlichtheit ist symmetrisch ausgewogen und gut proportioniert. Der zweigeschossige Hauptbaukörper mit Flachdach und eingeschossigen Anbauten lässt vielleicht italienische Villen ins Gedächtnis rufen. Als heller Putzbau kontrastiert das Gebäude wunderschön mit der Baumkulisse des Tannenwäldchens. Der vor einigen Jahren entstandene Erweiterungsbau knüpft an das Entwurfsverständnis des Vorgängerbaus an. Allerdings verhält er sich unentschieden zwischen der Weiterführung der doch radikalen Einfachheit und einer Eigenständigkeit, die vielleicht einen klaren Kontrast bilden könnte.

Ganz anders hierzu ist das Haus Achenbachstraße 13 wahrzunehmen. Das Gebäude lebt von den vielen Details, die z. T. als Baukeramik auf die Fassade gebracht wurden. Krabbenbesetzte Schmuckziegel, kugel- und vasengekrönte Pfeiler an der Grundstücksgrenze, gut erhaltene Fenster mit Schlagläden, Terracottaplatten mit Ziermotiven und vieles mehr beeindrucken bei dem ockerfarbenen Ziegelbau.

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Städtebau

Bis auf den Kindergarten ist die Straßenbebauung der Dingelstedtstraße einseitig. Villenartige Gebäude am Waldrand (ruhige Wohnlage) sind Wunschbilder im privilegierten Wohnungsbau. Die Einzelhausbebauung der Südseite wurde in den letzten Jahren "nachverdichtet". Es entstanden hochwertige Wohnhäuser im "Bauhausstil", der sich auch in Kassel einer wachsenden Beliebtheit erfreut.

Sehenswürdigkeiten / Besonderheiten

Bedeutung der Straßennamen

Achenbachstraße

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Achenbach wurde am 29.9.1815 in Kassel als Sohn eines Tabakfabrikanten geboren, der seit 1823 als Bierbrauer in Düsseldorf tätig wurde. Dort studierte Andreas Achenbach bereits seit 1827 an der Kunstakademie und unternahm schon früh eigenständige Malversuche ("Düsseldorfer Akademiegebäude"). Neben weiteren Akademieaufenthalten in Frankfurt und München dienten vor allem zahlreiche Studienreisen der weiteren künstlerischen Entwicklung (u. a. nach Holland, Dänemark, No­r­wegen, Schweden, Großbritannien, Süddeutschland, Tirol und Italien) und beeinflussten stark sei­­nen Malstil und die Wahl sei­ner Motive. Mit dem Bild "Un­tergang des Dampfschiffes Präsident" errang Achenbach einen gro­ßen Erfolg. Es zeigte seine Vor­liebe für das Meer und die Marinemalerei. Achenbach war zu Lebzeiten ein äußerst erfolgreicher und populärer Landschaftsmaler auch über Deutschland hinaus, dessen Bilder in allen Galerien und Salons vertreten waren. Für seine Verdienste um die Malerei wurde er von Wilhelm II. mit dem höchsten preußischen Orden, dem "Pour la mérite" für Kunst und Wissenschaft, ausgezeichnet. So sehr Achenbach mit seiner letztlich traditionsgebundenen Darstellungsweise den Zeitgeschmack erfolgreich traf, so wenig war diese andererseits zukunftsweisend. Sein Bruder Oswald (1827-1905) war sein eigentlicher Schüler, dessen Arbeit vom Ruhm seines Bruders Andreas allerdings überschattet wurde. Die bedeutendsten Werke sind unter anderem : Seesturm, 1836; Untergang des Dampfschiffes "Der Präsident",1842; Niederländische Landschaft, 1865; Scheveningen, 1869 sowie Sandsturm an der holländischen Küste, 1877. Andreas Achenbach starb am 1.4.1910 in Düsseldorf.

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Dingelstedtstraße

Dingelstedt wurde am 30. Juni 1814 im kurhessischen Halsdorf geboren. Als Sohn eines Beamten studierte er von 1831 bis 1834 in Marburg Theologie, wie sein Vater es vorgesehen hatte, sowie Philologie. Nach Abschluss des Studiums unterrichtete Dingelstedt am englischen Erziehungsinstitut in Ricklingen. Nach einer kurzen Zeit von nur zwei Jahren wechselte er zum Lyzeum (Friedrichsgymnasium) in Kassel, wo er von nun an Unterrichtsstunden gab. Wegen freimütiger Äußerungen über die deutsche Kleinstaaterei geriet er jedoch in die Missgunst seiner Vorgesetzten und wurde 1838 an das Gymnasium in Fulda strafversetzt. Auch in Fulda hielt sich Dingelstedt wegen Differenzen mit der reaktionären Regierung nicht lange. Schon 1841 nahm er vom Gymnasium Abschied und somit gleichzeitig ein für allemal vom Schul­dienst. Während seines Aufenthaltes in Fulda schrieb er sein bekanntestes Werk "Die neuen Argonauten". Kurz darauf übernahm Dingelstedt einen Posten als Redakteur von Cottas "Augsburger Allgemeinen Zeitung" in Augsburg, stieg schnell zum Korrespondenten auf. Während seiner Zeit als Korrespondent in Paris und Lon­don lernte er die Sängerin Jenny Lut­zer kennen, die er 1843 heiratete. Noch im selben Jahr wurde er Hofbibliothekar beim König von Württemberg. Dies sicherte ihm zwar eine Stelle mit festem Einkommen, doch wurde er aus dem Kreise der revolutionären Literaten verstoßen. Da es Dingelstedt nie lange an einer Stelle hielt, übernahm er 1846 die Stelle eines Dramaturgen am Stuttgarter Hoftheater. Von 1851 bis 1857 bekam er die Position als Intendant des Hof- und Nationaltheaters in München. Er führte das Theater aus dem "roten Bereich", indem er Aufführungen der Werke Hebbels, Kleists, Schillers, Lessings und Goethes in modernerer Version zeigte, was beim Münchner Publikum auf großen Zuspruch traf. Bevor Dingelstedt 1857 entlassen wurde, erhielt er auf Grund seiner Verdienste das "Ritterkreuz des Verdienstordens der Bayerischen Krone". In diesem Jahr zog er nach Weimar, wo er Dramen Shakespeares und Friedrich Hebbels Nibelungen aufführte. Im Jahre 1867 erhielt er einen Ruf nach Wien. Dort wurde er hintereinander Direktor des Hoftheaters an der Burg und 1875 Intendant der beiden Hoftheater. Im Jahr 1876 erfolgte auf Grund seiner Verdienste schließlich seine Erhebung in den Freiherrenstand. Am 15.5.1881 starb Franz Freiherr von Dingelstedt im Alter von 66 Jahren.

aus: Matthäus, Hohenzollernviertel

Weblinks

http://www.friedenskirche-kassel.de/kindertagesstaette-/10-kindertagesstaette-.html

Dateien

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Literatur

Wolfgang Matthäus (Hg.), Vom Hohenzollernviertel zum Vorderen Westen. Straßennamen, Geschichte und „Geschichtspolitik“, Kassel 2005

Jörg Katz, Internationaler Stil in Kassel, Diplomarbeit an der HbK Kassel, 1975