Bundessozialgericht / Graf-Bernadotte-Platz: Unterschied zwischen den Versionen

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Auf israelischer Seite betrachtete besonders die Untergrundorganisation LEHI, zu deren Führern Yitzak Shamir, der spätere israelische Premierminister (1986-92), gehörte, Bernadotte als Bedrohung und als Hindernis auf dem Weg zu einem "Großisrael". Am 17. September 1948 stellte sich ein Jeep der LEHI-Terroristen einem Konvoi der Vereinten Nationen unter der Flagge des Internationalen Roten Kreuzes und mit dem Fahrzeug Bernadottes in den Weg und brachte ihn zum Stehen. Folke Bernadotte und der französische Oberst Serraut wurden erschossen. Sie hatten dem Frieden im Wege gestanden.
 
Auf israelischer Seite betrachtete besonders die Untergrundorganisation LEHI, zu deren Führern Yitzak Shamir, der spätere israelische Premierminister (1986-92), gehörte, Bernadotte als Bedrohung und als Hindernis auf dem Weg zu einem "Großisrael". Am 17. September 1948 stellte sich ein Jeep der LEHI-Terroristen einem Konvoi der Vereinten Nationen unter der Flagge des Internationalen Roten Kreuzes und mit dem Fahrzeug Bernadottes in den Weg und brachte ihn zum Stehen. Folke Bernadotte und der französische Oberst Serraut wurden erschossen. Sie hatten dem Frieden im Wege gestanden.
 
An den Graf-Bernadotte-Platz schließt sich heute die Dag-Hammarskjöld-Straße an. Dort, wo früher die Nationalsozialisten auf einer Prachtstraße den Militarismus pflegen wollten, sind heute die Vereinten Nationen als Ausdruck multilateraler Konfliktvermeidung und -regulierung präsent.
 
An den Graf-Bernadotte-Platz schließt sich heute die Dag-Hammarskjöld-Straße an. Dort, wo früher die Nationalsozialisten auf einer Prachtstraße den Militarismus pflegen wollten, sind heute die Vereinten Nationen als Ausdruck multilateraler Konfliktvermeidung und -regulierung präsent.
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aus: Matthäus, Hohenzollernviertel
  
 
== Weblinks ==
 
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Version vom 25. Februar 2013, 20:49 Uhr

Basisdaten
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Geo-Position Koordinaten

Kurzbeschreibung

Das monumentale, 1938 eingeweihte Gebäude mit den Skulpturen der „Rossebändiger“ vor dem ehemaligen Haupteingang und die überdimensionierte Straße zeugen vom nationalsozialistischen Größenwahn. An dem architektonisch als „Pseudo-Tempel“ Macht überwältigend demonstrierenden Sitz des Wehrkreiskommandos IX und des IX. Armeekorps fanden Planungen für den Zweiten Weltkrieg statt. Die Anlage des Platzes (ursprünglich Schlieffenplatz) geht zurück auf eine nur in Teilen realisierte nationalsozialistische Planung zum monumentalen Ausbau der Stadt als Gauhauptstadt. In diesem Rahmen sollte die Straße zu einem geplanten Fernbahnhof Wilhelmshöhe jenseits der Wilhelmshöher Allee führen, gleichzeitig aber auch für militärische Paraden und Aufmärsche dienen. WM

Geschichte

Architektur

Sehenswürdigkeiten / Besonderheiten

Nationalsozialistische Kunst - die Rossebändiger

Das Werk der documenta 6, Anatols Traumschiff „Tante Olaga“, steht den beiden Skulpturen gegenüber, die den ehemaligen Haupteingang des heutigen Bun­dessozialgerichts flankieren. Harald Kimpel interpretiert Funktion und Intention dieser Figuren so: „Das antike Motiv der Rossebändiger - Symbol für die Macht des Menschen über die Natur - gehörte zu den bevorzugten Themen der nationalsozialistischen Ikonographie, indem es die Möglichkeit bot, die faschistischen Herrschaftsbestrebungen sichtbar auch auf die Natur auszuweiten.“ (Kunst im öffentlichen Raum, Kassel vor 1943, S. 38). Joseph Wackerle schuf die beiden Figuren, die vom Steinbildhauermeister Meinert aus München 1938 ausgeführt wurden.


Aktuelle Kunst - das „Weiche Haus“

Das jüngste Kunstwerk am Platz verdankt sich einem Wettbewerb im Zusammenhang mit der Sanierung des ehemaligen Genralkommandos, des Bundessozialgerichts, auf dessen Grundlage der Entwurf von Gabriele Obermaier verwirklicht wurde. Auf ihrer Internetseite (http://www.gabriele-obermaier.de) interpretiert Ralf Homann das Kunstwerk so: „Der Weg führt von der Wilhelmshöher Allee die leichte Anhöhe hinunter, die dem einst hier verlaufenden Bach geschuldet ist, bevor das Dritte Reich dort den Verwaltungsklotz des IX. Armeekorps errichtete. Schon der erste Blick offenbart einen bisweilen ironischen, auf jeden Fall raffinierten Akzent, der das neue Entrée des Bundessozialgerichts in Kassel bereichert. Mit ihrer diagonalen Sichtbeziehung unterläuft die Skulptur der Bildhauerin Gabriele Obermaier die strenge axiale Ausrichtung der Anlage. Alle markanten Grundkörper der Architektur sind im Weichen Haus verkleinert, gestaucht, gedehnt und gedrückt. (...) Das Weiche Haus ist ein nachträgliches Modell der Architektur, das deren bauliche Strategien dekonstruiert. Im näher kommen wird diese formale und inhaltliche Spannung zwischen Skulptur und Gebäude immer sichtbarer. Sandsteingewände, Lisenen und militärischer Zierrat, im Süden ein Ehrenhof mit Pfeilerkollonaden, an der Ostseite ein monumentaler Pfeilerportikus mit Rossebändigern und mehrläufiger Eingangstreppe: Die Nationalsozialisten inszenierten die Anlage als Pseudo-Tempel. Eine Baugestaltung, die durch Überdimensionierung einschüchtern will und einen übermenschlichen Machtanspruch behauptet. (…) Jetzt wird nicht mehr zum Pseudo-Tempel hinaufgestiegen, sondern der Staatsbürger steht der richterlichen Staatsgewalt zuerst auf Augenhöhe gegenüber, bevor er oder sie hinunterschreitet zum neuen Haupteingang. Vorbei am Weichen Haus (…) (Es) ist dem menschlichen Maß verpflichtet, von dem aus die Maßlosigkeit des Machtstaates umso deutlicher erkennbar wird. Das Weiche Haus ist ein plastischer Hinweis auf das, was im demokratischen Rechtsstaat schlicht und trocken Verhältnismäßigkeit der Mittel heißt.“

Bedeutung der Platzbezeichnung

Der Platz war ursprünglich Teil der vom Bahnhof Wilhelmshöhe bis zum Tannenwäldchen verlaufenden Aschrottstraße. Mit den städtebaulichen Eingriffen im Nationalsozialismus wurde er in Erinnerung an den Ersten Weltkrieg in Schlieffen-Platz, 1947 in Windthorstplatz umbenannt, ehe er 1949 den heutigen Namen erhielt. Die Namensgebung des Jahres 1949 setzte einen Kontrapunkt zu der militaristischen Tradition des Gebäudes, des am Platz befindlichen, noch immer so genanten "Generalkommandos", das in der Zeit der Namensgebung des Platzes das zentrale Gebäude der Bewerbung Kassels als Bundeshauptstadt war. Folke Bernadotte, Neffe des schwedischen Königs Gustav V. wurde am 2. Januar 1895 in Stockholm geboren, be­suchte standesgemäß eine Militärschule und schlug die Offizierslaufbahn ein, die er aus gesundheitlichen Gründen 1933 auf­gab. Durch die Heirat (1928) mit Estelle Romaine Manville, der Tochter eines amerikanischen Multimillionärs, finanziell unabhängig, widmete er sich ve­schiedenen ehrenamtlichen Aufgaben. So schloss er sich der schwedischen Pfadfinderbewegung (Sveriges Scoutforbund) an, für die er organisatorisch tätigt war und die er als dessen Vorsitzender während des Zweiten Weltkrieges in das schwedische Verteidigungssystem integrierte (Luftschutz, Erste Hilfe). Weit bedeutsamer waren seine Aktivitäten als Vizepräsident des Schwedischen Roten Kreuzes. In dieser Funktion und im Auftrag des Internationalen Roten Kreuzes war der weltgewandte, sechs Sprachen fließend sprechende Diplomat während des Zweiten Weltkrieges erfolgreich als Vermittler zwischen den Seiten tätig. Dazu reiste er in nicht ungefährlichen Missionen vor allem auch nach London und Berlin, um mit hohen Amtsträgern der Kriegsparteien zu verhandeln - aus Deutschland insbesondere auch mit Heinrich Himmler. Dabei gelang ihm der Austausch zahlreicher Kriegsgefangener, vor allem aber die Befreiung von mehreren zehntausend Häftlingen der Konzentrationslager. Himmler wandte sich im Frühjahr 1945 an Folke Bernadotte mit der Bitte um Vermittlung und traf sich mit ihm am 24. April 1945 in Lübeck in der Hoffnung über Bernadotte Kontakte mit den westlichen Alliierten zu bekommen - in der Illusion befangen, mit diesen einen Separatfrieden abschließen zu können, um dann gemeinsam den Kampf gegen die Sowjetunion zu führen. Dieses realitätsferne Angebot gelangte über das schwedische Außenministerium an die Alliierten, die es selbstverständlich ablehnten und Stalin informierten. Hitler, der dies erfuhr, begriff dies als Verrat, enthob Himmler aller Ämter und stieß ihn aus der Partei aus. Gleich nach Ende des 2. Weltkrieges organisierte Bernadotte (seit 1946 Präsident des Schwedischen Roten Kreuzes) Lebensmittel-, Kleider- und Medikamentenspenden für die zerstörten Gebiete, vor allem auch für Deutschland. Schulkinder erhielten aus der "Schwedenspende" Schulspeisung. Am 20. Mai 1948 beauftragten Sicherheitsrat und Generalversammlung der Vereinten Nationen Bernadotte mit einer Vermittlung im jüdisch-arabischen Konflikt im Nahen Osten. Kurz zuvor waren dort auf Grund der israelischen Unabhängigkeitserklärung arabische Armeen einmarschiert, der seit Jahrzehnten existierende Konflikt war eskaliert. Nach rastloser Vermittlungstätigkeit gelang es Bernadotte am 11. Juni eine 30tägige Waffenruhe zu erreichen, die allerdings bereits Anfang Juli von Israel nicht mehr eingehalten wurde. Bernadotte wandte sich vom UN-Teilungsplan aus dem Jahr 1947 ab und entwickelte eigene Pläne zur Ordnung des Landes, die unter anderem eine Union der beiden Volksgruppen beinhaltete und den palästinensischen Flüchtlingen ein Rüc­kkehr­recht einräumte. Sowohl Israel als auch die arabischen Staaten akzeptierten diese Vorschläge nicht, insbesondere die Radikalen auf beiden Seiten machte sich Ber­­na­dotte­ zu Feinden. Morddrohungen und -versuche hielten ihn jedoch nicht von der Fortsetzung seiner Vermittlungstätigkeit ab. Auf israelischer Seite betrachtete besonders die Untergrundorganisation LEHI, zu deren Führern Yitzak Shamir, der spätere israelische Premierminister (1986-92), gehörte, Bernadotte als Bedrohung und als Hindernis auf dem Weg zu einem "Großisrael". Am 17. September 1948 stellte sich ein Jeep der LEHI-Terroristen einem Konvoi der Vereinten Nationen unter der Flagge des Internationalen Roten Kreuzes und mit dem Fahrzeug Bernadottes in den Weg und brachte ihn zum Stehen. Folke Bernadotte und der französische Oberst Serraut wurden erschossen. Sie hatten dem Frieden im Wege gestanden. An den Graf-Bernadotte-Platz schließt sich heute die Dag-Hammarskjöld-Straße an. Dort, wo früher die Nationalsozialisten auf einer Prachtstraße den Militarismus pflegen wollten, sind heute die Vereinten Nationen als Ausdruck multilateraler Konfliktvermeidung und -regulierung präsent.

aus: Matthäus, Hohenzollernviertel

Weblinks

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Literatur